Investment Ideen

Thematisch investieren: Nachhaltige Infrastruktur

Harald Brandl · Dominik Pross
Lesedauer: 9 Min
Die Infrastruktur rund um Transport, Stromnetz und Versorgung steht vor einem Modernisierungsschub. Für die nächsten 20 Jahre sind mehr als USD 84 Bio. An Investitionen vorgesehen. Grund dafür ist der grüne Wandel, der zur Erreichung der Klimaziele nötig werden wird. Dieser Schub wird ein Pfeiler des Wirtschaftswachstums und bietet gleichfalls Anlageopportunitäten.

Hinweis: Das ist der fünfte und letzte Teil der fünfteiligen Investmentidee- Serie «Investieren in den grünen und sozialen Wandel» (Link).

Das Wachstum der Weltbevölkerung und das daraus entstehende versorgungsbedingte Wirtschaftswachstum trifft in den kommenden Jahren auf zunehmende umweltbedingte Herausforderungen und eine Verknappung wichtiger Ressourcen. Der Modernisierung bestehender und dem Bau neuer Infrastrukturen kommt dabei eine sehr hohe Bedeutung zu.

Wie extrem diese Entwicklungen sein können zeigte China zwischen 2011 bis 2013. Gemäss dem US Geological Survey produzierte und verbaute China mit einem Volumen von 6.6 Mrd. Tonnen mehr Beton als die USA im 20. Jahrhundert (4.5 Mrd Tonnen bis 2000). Auch die Umwelt hat das gespürt. 1 Kubikmeter Stahlbeton verursacht im Durchschnitt einen CO2-Ausstoss von 320 bis 340 Kilogramm. Das entspricht der Menge, die 4'000 Bäume pro Tag absorbieren können.

China mag ein besonderer Fall sein. Aber auch im Rest der Welt führen die demografische Entwicklung und das erwartete langfristige globale Wirtschaftswachstum zu einem enormen Infrastrukturbedarf. Gemäss verschiedenen Schätzungen ist die Hälfte der notwendigen Infrastrukturen für den Zuwachs der Weltbevölkerung von 2 Mrd. Menschen bis 2050 bis heute noch gar nicht vorhanden, schon gar nicht in Schwellenländer, wo Landflucht den Siedlungsdruck in Metropolregionen verstärkt.

Die Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) erwartet, dass sich bis 2060 die globale Ressourcennachfrage auf 167 Gigatonnen pro Jahr verdoppelt. Auf das Baugewerbe mit den Grundstoffen Sand, Kies und Kalkstein entfällt dabei gut die Hälfte. Die Natur wird die daraus entstehende Umweltbelastung nicht mehr auffangen können und zeigt, dass die Fortführung der Industrialisierung mit den bisherigen Methoden nicht mehr denkbar ist. Im Wissen um die Dringlichkeit wurden im Herbst 2021 auf dem Weltklimpagipfel in Glasgow (COP26) die Ziele des Pariser Klimaabkommens aus dem Jahr 2015 bestätigt.

Grüner Investitionsschub

Gemessen an mehr als 50 Nationen ermittelte das Analysehaus Oxford Economics im Auftrag der Weltbank bis 2040 einen jährlichen Investitionsbedarf in Höhe von etwa USD 4 Bio., um den grünen Wandel entlang den getroffenen Vereinbarungen bezüglich Emissionen umsetzen zu können. Im Vergleich zu den bestehenden Finanzierungsplänen besteht eine jährliche Finanzierungslücke von gut USD 800 Mrd. während der kommenden 19 Jahren, das entspricht rund 15 Bio.

Will man die ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitsziele erreichen, so besteht ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf für das globale Strassennetz von mehr als USD 7 Bio. Die Planungslücke für das Stromnetz beträgt in etwa USD 4.4 (vgl. Kapitel Smart Transportation und Smart Grids).

Verteilung Finanzierungslücke globaler Infrastrukturen bis 2040
Verteilung Finanzierungslücken

Die Studie zeigt weiter auf, dass innerhalb der Industrieländer der zusätzliche Mittelbedarf relativ klein ist. Umverteilung bisheriger Staatsausgaben ist hier das Stichwort, um gesteckte Ziele zu erreichen. Ein hoher Anteil entfällt auf die Reduktion von Förderungen fossiler Brennstoffe. Der Modernisierung veralteter Infrastrukturen wird in den kommenden zehn Jahren ein sehr hoher Stellenwert beigemessen. Dies trifft vor allem auf die USA zu, die unter den Industrienationen sich seit vielen Jahren am wenigsten um den Erhalt ihrer inländischen Infrastrukturen gekümmert haben. Der gesamte Investitionsbedarf beläuft sich alleine in den USA auf USD 3.8 Bio, das entspricht knapp einem Viertel der weltweiten Investitionslücke. Bei Schwellenländern bestimmt vor allem die topographische Lage, wieviel in welchen Bereich investiert werden muss. Auch hier dominiert der Transportsektor die Ausgaben, aber grosse Infrastrukturlücken gibt es ebenfalls in den Sektoren Kommunikation und Strom. Unternehmen, die diesen Wandel mitgestalten, werden über Jahre ein überdurchschnittliches Wachstum verzeichnen.

Bau von Infrastruktur

Nachhaltige Infrastruktur wird von den drei Perspektiven Ökologie, Soziales und systemische Strukturen aus betrachtet. Die Ökologische will den durch Menschen ausgeübten Einfluss auf das Klima und die Umwelt so gering als möglich halten. Die soziale Strukturadressiert demografische Entwicklungen, das Bedürfnis nach Sicherheit aber auch den Zugang, damit so viele Menschen wie möglich die Infrastrukturen auch nutzen oder davon profitieren können.

Welche Infrastrukturen systemisch stärker relevant sind für eine Region, hängt von geografischen Bedingungen, der Bevölkerungsdichte und den verfügbaren Ressourcen ab. Die Transformation von Infrastrukturen weltweit löst eine sehr hohe physische Bauaktivität aus und erzeugt durch den immensen Rohstoff- und Energiebedarf ein Dilemma. Denn bis die klimaneutrale Modernisierung erreicht ist, werden überdurchschnittlich hohe CO2-Belastungen ausgelöst. Industrielle Transformation, wachsende Metropolregionen und das Wirtschaftswachstum führt zu steigender Nachfrage nach Baustoffen und erforderlichen Rohstoffen wie Stahl, Aluminium, Kupfer sowie petro-chemischen Produkten.

Paradoxerweise löst diese Aktivität auch eine zusätzliche Nachfrage nach fossilen Brennstoffen aus, da nahezu alle Baumaschinen mit herkömmlichen Dieselmotoren betrieben werden und eine klimafreundliche Produktion von Industriemetallen noch in ferner Zukunft liegt.

Für CO2 Emissionen verantwortliche Industrien
Verteilung CO2 Emissionen

Allein die Zement- und die Stahlproduktion sind für je 8 % des globalen CO2-Ausstosses verantwortlich. Unternehmen sind gefordert, ihre bisherigen Produktions- und Fertigungsprozesse umzustellen. Innovationen bieten synthetische Additive und Alternativen zu Stahl, die CO2-Belastungen deutlich reduzieren. Durch den Ersatz von Stahl durch Carbon und der Beifügung synthetischer Bindemittel kommen Betonkonstruktionen mit gleicher oder sogar besserer Statik mit bis zu 40 % weniger Beton aus. Die Zugabe von Kalk zu Zement und Beton führt zu zusätzlichen Optimierungen im Hinblick auf die Tragkraft und erlaubt somit filigranere Konstruktionen. Der Einsatz von 3D-Planungstechnologien wie Autodesk ist bereits sehr fortgeschritten. Diese wird nun vermehrt direkt mit dreidimensionalen Fertigungsprozessen verbunden. Gerade im Bauwesen ist Nachhaltigkeit äusserst komplex. Die Zusammenführung von Architekten und Ingenieure ist entscheidend, um über Kompetenz und Erfahrungsaustausch neue Erkenntnisse zur Tragwerksgeometrie von Gebäuden zu erfahren. Die Zukunft im Erstellen moderner Infrastrukturen erfordert integrales Planen. Dies trifft auch auf räumliche Gestaltung zu was Behörden zwingt, bisherige Denk- und Planungsstrukturen aufzubrechen. Ein Beispiel bietet der dezentral strukturierte Bildungssektor in Deutschland mit den drei Ebenen Bund, Länder und Kommunen. Sie alle nehmen Aufgaben war, planen aber Infrastruktur nicht zusammen, was man an der physischen Trennung der Bildungsstufen erkennt und die einer ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit im Weg steht.

Bei der Transportinfrastruktur wie Flufghäfen oder Bahnhöfen wird oft auf die ausschliessliche Aufgabe geschaut. Nachhaltige und sozial-inklusive Ansätze im Hinblick auf direkte Integration von Versorgung, Einzelhandel, Wohnraum und Kultur fehlen. Technische Innovationen und integrale Projektplanung sind die Schlüssel zur Gestaltung moderner und umweltschonender Infrastrukturen.

Smart Transportation

Eine zentrale Bedeutung kommt der Transportinfrastruktur zu. Die Internationale Energiebehörde (EIA) erwartet bis 2050 eine starke Zunahme des weltweiten Transports. Die individuelle Mobilität für Personen soll dabei um über 70 % zulegen, gleichzeitig liegt der Frachttransport noch mehr zu (vgl. Grafik). Bei den Tonnenkilometern der Lastwagen wird ein Anstieg um das 1.3-fache prognostiziert, die Auslastung von Flugzeugen und Schiffen soll eine knappe Verdoppelung erfahren. Begründet wird dies mit der Zunahme der Weltbevölkerung um ein Viertel in Verbindung mit einem graduellen Anstieg des Wirtschaftswachstums und damit gekoppeltem höheren Wohlstand in Schwellenländern. Die für den weltweiten Frachtverkehr erforderliche strategische Weichenstellung lassen die Diskussion um elektrisch betriebene Autos als Hintergrundrauschen verschwinden.

Entwicklung des globalen Transports bis 2050 (indexiert)
Globaler Transport

Während für die USA und die Schwellenländer vor allem die Modernisierung und der Ausbau der Transport- und Mobilitäts-Infrastruktur den höchsten Mittelaufwand bedeutet, liegt der Fokus Europas und Chinas in der digitalen Vernetzung sowie in den Vorbereitungsmassnahmen für autonomes Fahren. Smarte Verkehrsleitsysteme überspannen bereits heute gesamte Metropolregionen und helfen Spitzenbelastungen abzufedern. In ersten Feldversuchen wie in Wiesbaden in Deutschland funktionieren Ampeln selbständig. Die staugeplagte Stadt erhofft sich davon nicht nur Zeitersparnisse für die Autofahrer, sondern auch eine merkliche Reduktion der Schadstoff- und Lärmbelastung. Alle 227 Ampeln wurden dazu umgerüstet, an 60 Knotenpunkten überwachen 400 Wärmebildkameras den Strassenverkehr. Erste Erfolge lassen sich bereits in der Frühphase erkennen. Im Busverkehr wurden Fahrtzeiteinsparungen von 30 % erreicht, der Fahrradanteil hat sich verdoppelt und die CO2-Belastung hat sich reduziert.

In den nächsten zehn Jahren wird eine deutliche Veränderung innerhalb des Transportsektors mit den ersten Anwendungen von autonomem Fahren erwartet. Gerade für die Zukunft von Millionenstädten wird dies einen Meilenstein für moderne und effiziente Stadtplanung darstellen. Während die Elektrifizierung der Fahrzeuge lediglich den Antrieb klimaschonend transformiert, erlaubt autonomes Fahren die Umkehr des bisherigen Nutzprofils. Anstatt Autos über 90 % ihrer Betriebszeit geparkt zu lassen und dabei Strassenränder und Parkhäuser in Bestlage zu besetzen, können autonome Fahrzeuge quasi rund um die Uhr in Bewegung sein. Neue Mobilitätskonzepte können entwickelt werden und die gewonnenen Freiräume als zusätzliche Bewegungsräume genutzt werden.

Smarte Stromnetze (Smart Grids)

Betrachtet man die Initiativen zur Erreichung der gesteckten Nachhaltigkeitsziele, so ist Elektrizität der Dreh- und Angelpunkt nahezu aller Massnahmen. Mit sauberem Strom lässt sich der Verbrauch von fossilen Brennstoffen reduzieren. Es helfen aber ebenso moderne Steuerungsmechanismen, damit Energieeffizienz in der Industrie aber auch bei Wohn- und Gewerbeimmobilien erreicht wird. Dies alles erfordert Weichenstellungen im Hinblick auf Stromspeicherung. Untrennbar verknüpft mit dem Smart Grid ist die Digitalisierung.

Smart Grid

Zentral ist ein flexibler und effizienter Stromfluss zwischen Produktion, Speichereinheiten und Konsumenten. Wo immer von einer smarten Lösung gesprochen wird und digitale Anwendungen zum Einsatz kommen, ohne smarte Stromversorgung wären diese undenkbar. Zwar werden in Zukunft auch grosse Kraftwerke innerhalb des Netzes Elektrizität erzeugen, jedoch erzeugt alternative Stromproduktion nicht mehr konstant die gleiche Menge Energie, wie dies bei Kohle- oder Atomkraftwerken der Fall ist. Der Elektrizitätsfluss wird künftig stärkeren Schwankungen unterliegen.

Parallel dazu wird die Produktion dezentralisiert. Künftig steuern eine Vielzahl kleinerer Energiequellen zur Stromerzeugung bei. Bereits heute können Stromnachfrager auch gleichzeitig Produzenten sein. Strom fliesst künftig nicht mehr nur in eine Richtung. Um eine robuste und konstante Stromversorgung zu erreichen werden Informationstechnologien und künstliche Intelligenzen eingesetzt, die individuelle und lokale Verbrauchsaktivitäten erkennen, analysieren und steuern. Bis 2027 erwartet das Marktrecherchehaus Maximize ein Investitionswachstum von gut 19 % pro Jahr und ein Marktvolumen von USD 123 Mrd.

Fazit

Die weltweite Transformation von Infrastruktur steht im Zentrum der Erreichung gesteckter Umwelt- und Klimaziele und wird mit Blick auf die Emissionsziele für den Zeitraum von 2030 bis 2060 überdurchschnittliche Investitionen auslösen. Die Anpassungen im Energie- und Transportsektor wie auch die Modernisierung des globalen Stromnetzes nehmen den wichtigsten Anteil ein. Unternehmen, die diesen Wandel mitgestalten mit Lösungen und Dienstleistungen werden viele Jahre ein überdurchschnittliches Wachstum ausweisen, was für langfristige Investoren eine interessante Chance bedeutet. Wir empfehlen für das Thema nachhaltige Infrastruktur folgende Lösung.

Für unsere Produktempfehlung wenden Sie sich bitte an Ihren Kundenberater/Ihre Kundenberaterin.

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