Spotanalyse

Deutschland: Auftragseingang legt den dritten Monat in Folge zu

Dr. Thomas Gitzel, Chief Economist VP Bank Group
Lesedauer: 3 Min
Der Auftragseingang legt im Juli um 2.8 % gegenüber dem Vormonat zu. Das ist der dritte Anstieg in Folge – was für die normalerweise volatile Entwicklung der Auftragseingänge ungewöhnlich positiv ist. Das Plus fällt allerdings weniger deutlich aus als erwartet worden war. Vor allem aus dem Inland selbst kommen weniger Bestellungen. Das Ausland bestellt aber kräftig.

Die deutsche Wirtschaft atmet durch. Die Auftragslage bessert sich – wenngleich weniger deutlich als erwartet worden war. Rechnet man allerdings die schwankungsanfälligen Grossaufträge heraus, lag das Auftragsplus bei 6.2 % gegenüber dem Vormonat. Das Zahlenwerk ist deshalb trotz der etwas schwächer als erwarteten Entwicklung ein gutes.

Füllen sich die Auftragsbücher, ist das auch eine gute Nachricht für all diejenigen Arbeitnehmer, die von Kurzarbeit betroffen sind. Das deutsche verarbeitende Gewerbe ist geordnet nach Wirtschaftssektoren der drittgrösste Arbeitgeber Deutschlands. Dies zeigt, von welch zentraler Bedeutung die Auftragseingangsdaten für die gesamte deutsche Volkswirtschaft sind. Mehr Aufträge heisst auch mehr Beschäftigung. Mehr Beschäftigung heisst wiederum mehr privater Konsum. Es ist eine reine Labsal, wenn sich die Auftragsbücher füllen.

Doch bei aller Freude über das neuerliche Plus darf die Gesamtsituation nicht vergessen werden. Die Auftragseingänge sind das eine, das andere ist der absolute Auftragsbestand. Letzterer sieht noch immer wenig erbaulich aus. Die Auftragslage mag sich derzeit bessern, doch Fakt ist, dass der Auftragsbestand seit dem Jahr 2019 im Sinkflug war. Bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie war das Wehklagen im produzierenden Gewerbe unüberhörbar.

Der seit Mai beobachtbare kräftige Auftragszuwachs ist ein Reflex auf den massiven Einbruch bedingt durch den Lockdown im März und im April. Gegenüber dem Juli 2019 liegen die Auftragseingänge noch immer 7.3 % im Minus. Dies zeigt, dass die Lage keineswegs schon wieder rosig ist. Und es gibt noch einen weiteren wunden Punkt. Im Vergleich zum Vormonat gingen die Aufträge aus dem Inland um 10.2 % zurück. Die deutsche Industrie selbst tritt mit Neubestellungen auf die Bremse. Es waren den starken Bestellungen aus dem Ausland zu verdanken, dass am Ende ein Plus von 2.8 % zu Buche steht. Die Auftragseingänge aus der Eurozone stiegen um 7.3 %. Die Auftragseingänge aus dem restlichen Ausland legten sogar um 19.2 % gegenüber Juni 2020 zu.

In der Gesamtschau gilt: Wir können uns über das dritte Auftragsplus in Folge freuen. Es geht wieder voran. Allerdings sollte bei aller Freude nicht in Vergessenheit geraten, dass die Lage im verarbeitenden Gewerbe bereits vor der Corona-Pandemie eine schwierige war. Der Strukturwandel in der Automobilbranche belastet. Die Maschinen- und Anlagenbauer können ein Lied davon singen. Die schlimmsten Schmerzen mögen gelindert sein, chronische wirtschaftliche Verspannungen bleiben dem verarbeitenden Gewerbe vorerst erhalten.

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