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Wahrnehmung und Realität gehen bei nachhaltigen Anlagen weit auseinander

Bernd Hartmann, Chefstratege
Lesedauer: 5 Min
Mit dem eigenen Geld helfen, Klimaziele zu erreichen und ein Unternehmen zu beeinflussen, den CO2-Fussabdruck zu verringern?

Viele Anleger möchten das. Aber das Thema Nachhaltigkeit ist nicht leicht zu navigieren. Es geht um die Fragen Verzicht, Beeinflussung und ESG-Kriterien. Wir räumen mit 5 gängigen Missverständnissen auf.

Missverständnis 1: Nachhaltigkeit kostet Rendite

Die Meinung, nachhaltiges Anlegen führe zu weniger Rendite, ist leider breit verbreitet. Doch das stimmt nicht.

  • Darum ist es falsch:
    • Wer nachhaltig anlegt, sollte nicht weniger Rendite erwarten. In einzelnen Jahren wird die Performance zwar schwächer sein als von nicht-nachhaltigen Vergleichsprodukten. Mittel- und langfristig sollte dies jedoch ausgeglichen werden.
  • Das stimmt:
    • Die grosse Mehrheit wissenschaftlicher Studien, die den Faktor Nachhaltigkeit beim Anlegen untersucht haben, belegen, dass nachhaltiges Anlegen zu keiner tieferen Rendite führt. Investoren müssen sich somit nicht zwischen Rendite und Nachhaltigkeit entscheiden. Man darf nicht vergessen, nachhaltiges Anlegen gibt es schon seit über 20 Jahren.

Missverständnis 2: Hohe ESG-Ratings, also Kriterien hinsichtlich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG), sind gleichbedeutend mit nachhaltigem Anlegen

Es gibt keine einheitliche Definition, was nachhaltig ist. ESG ist zwar ein systematischer Ansatz. Aber es gibt auch andere.

  • Darum ist es falsch:
    • Viele Anleger und selbst professionelle Vermögensverwalter, darunter jene die Fonds verkaufen, setzen Nachhaltigkeit mit ESG-Ratings gleich. ESG-Ratings messen aber nur die finanziellen Auswirkungen des ökologischen und sozialen Wandels auf ein Unternehmen.
  • Das stimmt:
    • Nachhaltigkeit geht viel weiter als der ESG-Ansatz. Die zusätzliche Berücksichtigung von Geschäftstätigkeiten und –praktiken beispielsweise hilft, Risiken zu erkennen. Wenn zum Beispiel ein Unternehmen Handfeuerwaffen produziert, der Korruption bezichtigt wird oder in Frage gestellt wird, ob Umweltauflagen erfüllt werden, sind das aus der Perspektive der Nachhaltigkeit Risiken. Vielen Anlegern ist obendrein die Wirkung ihrer Investments auf die Umwelt und Gesellschaft wichtig. Sie bevorzugen daher nachhaltig wirtschaftende Unternehmen, die mit ihren Aktivitäten zur Erreichung der UNO-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDG) beitragen.

Missverständnis 3: Nachhaltig Anlegen bringt nicht jedem was

Häufig werden Nachhaltigkeitskriterien nur für Teile des Vermögens angewandt oder nur von denjenigen Anlegern bei der Selektion berücksichtigt, denen die Umwelt oder gesellschaftliche Anliegen wichtig sind.

  • Darum ist es falsch:
    • Zahlreiche Investoren denken, Geld anlegen und die eigenen Werte und Normen seien getrennte Welten. Darum berücksichtigen sie bei ihren Anlageentscheiden nur für einzelne Teile des Vermögens Nachhaltigkeitskriterien, oder gar keine.
  • Das stimmt:

Nachhaltigkeitsfaktoren liefern einen Mehrwert für alle Anleger, nicht nur für diejenigen, die sich für Umwelt und Soziales engagieren möchten. Also ganz einfach, es lohnt sich also für alle. Denn Nachhaltigkeitskriterien beurteilen die finanziellen Risiken des Wandels, die sich für ein Unternehmen ergeben. Diese Risiken betreffen die zukünftige Profitabilität, und im Extremfall bedrohen sie die Existenz eines Unternehmens, wenn bspw. Abschreibungen auf Ölreserven drohen, weil diese nicht mehr gefördert werden können. Gleichzeitig können diese Faktoren auch ein Indiz dafür sein, ob sich für ein Unternehmen neue Geschäftsmöglichkeiten ergeben.

Missverständnis 4: Nachhaltigkeit kostet mehr

Die Analyse, wie nachhaltig ein Unternehmen wirtschaftet, ist aufwändig und verursacht bei Banken und Produktanbietern Mehrkosten, die dazu führen, dass nachhaltiges Anlegen für den Investor teurer ist.

  • Darum ist es falsch:
    • Viele Anbieter lassen sich den Mehraufwand durch höhere Gebühren bezahlen. Für sie ist Nachhaltigkeit ein Produkt unter vielen. Vor allem Nachhaltigkeitsprodukte, die vor längerer Zeit lanciert wurden, sind oft teurer als traditionelle.
  • Das stimmt:
    • Nachhaltigkeitsprodukte und die Informationen dazu müssen für Anleger nicht zwingend teurer sein, also weder für Fonds noch für Vermögensverwaltungs-Mandate. Wir finden, Nachhaltigkeit gehört heute zum Standard und integrieren die Kriterien durchwegs in den Anlageprozess. Nachhaltigkeit ist kein Produkt und sollte daher nicht zu höheren Kosten oder höheren Gebühren führen.

Missverständnis 5: Was drauf steht ist auch drin ("Labels")

Produkte die "ESG", "Green" oder "Sustainable" im Namen tragen, suggerieren besonders nachhaltig zu sein. Aber Anleger müssen genau hinschauen.

  • Darum ist es falsch:
    • Blind aus traditionellen Fonds in nachhaltige Produkte umzuschichten, mag das Gewissen beruhigen, führt aber nicht immer zu einem nachhaltigeren Investmentprofil. Denn es gibt keine geschützten Begriffe oder Mindeststandards im Bereich Nachhaltigkeit.
  • Das stimmt:
    • Weil es keine einheitliche Definition gibt und viele Konzepte im Markt existieren, dürfen sich Anleger nicht von Begriffen blenden lassen. Manchmal sind sogenannte nachhaltige Fonds nicht besser oder weisen sogar ein schlechteres Profil auf als Fonds ohne diesen Anspruch. Banken, die das Nachhaltigkeits-Thema ernst nehmen, analysieren die Produkte für Ihre Kunden unabhängig von der Namensgebung. Die VP Bank zum Beispiel hat einen Indikator geschaffen, der über alles Anlageklassen hinweg das Nachhaltigkeitsprofil wiedergibt und vergleichbar macht.
#Nachhaltigkeit