Spotanalyse

Eurozone: Die Knappheit in einer Zahl

Dr. Thomas Gitzel, Chief Economist VP Bank
Lesedauer: 2 Min
Die Produzentenpreise steigen im März um 4.3 % gegenüber dem Vorjahr.

Halbleiter knapp, Styropor knapp, Sperrholzplatten knapp, Plastikfolien knapp. Die Aufzählung liesse sich fortsetzen, doch allein der Mangel an den erwähnten Gütern zeigt: Die Situation ist angespannt.

Bei einem knappen Angebot und einer gleichzeitig starken Nachfrage reagiert der Preis. Es muss deshalb nicht verwundern, dass die Erzeugerpreise deutlich anziehen. Die aktuelle Güterknappheit manifestiert sich also in einer Zahl. Und: Fortsetzung folgt – das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht.

Was wir derzeit sehen, gehört zur besonderen Anatomie der Corona-Krise. Das Virus führte zu einer plötzlichen Verhaltensänderung - sei es freiwillig oder aufgrund der staatlich verordneten Eindämmungsmassnahmen. Elektronikprodukte und Möbel waren etwa gefragt, während die Nachfrage nach Automobilen kurzzeitig einbrach.

Halbleiterproduzenten gaben Produktionskapazitäten an die Elektronikbranche frei. Die Automobilbranche musste dann nach dem unerwartet starken Nachfrageanstieg hinten anstehen. Hinzu kamen noch Sondereffekte wie etwa wetterbedingte Produktionsunterbrechungen für Halbleiter in Texas oder der Brand in einer Chip-Fabrik in Japan.

Zu allem Überfluss stockt in Anbetracht einer Container-Ungleichverteilung der normalerweise gut eingespielte globale Logistikprozess. In den USA und in Europa stapeln sich die leeren Container, während in China ein Mangel herrscht. Die Folgen davon sind mittlerweile gravierend. In Europa schicken die Automobilproduzenten stellenweise Mitarbeiter trotz guter Auftragslage in Kurzarbeit. Eine rasche Änderung der Gemengelage ist nicht erkennbar. Es braucht wohl noch einige Monate bis die Situation vollständig bereinigt ist.

Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Produzentenpreise häufiger deutliche Ausschläge nach oben ausweisen, ohne dass sich dadurch ein nachhaltiger Anstieg der Konsumentenpreise ergibt. Teurere Einstandspreise der Unternehmen gehen nicht selten zu Lasten der Marge.

Es sollte auch bedacht werden, dass es sich um temporäre Störungen handelt. Der globale Materialfluss sollte spätestens gegen Jahresende wieder im Normalzustand sein. Das Preisgeschehen wird sich damit ebenfalls normalisieren. Ob nun auch ein mangelbedingter Anstieg der Konsumentenpreise ins Haus steht, hängt davon ab, ob Unternehmen den temporären Anstieg an Endkunden weitergeben können. 

Fakt ist, dass die Knappheit bereits für wirtschaftliche Bremsspuren sorgt. Zwar stellt der Materialmangel den Aufschwung nicht in Frage, doch die wirtschaftliche Dynamik wird gemindert. Die Produktionsausfälle werden die Wachstumsrate der Eurozone im zweiten Quartal dämpfen. In Anbetracht der erwarteten Erholung im Dienstleistungssektor wird aber dennoch ein ansehnliches Wirtschaftswachstum zu Buche stehen.

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