Spotanalyse

Schwedens Notenbank beendet Negativzins-Experiment – ziehen SNB und EZB nach?

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Die schwedische Notenbank hat am Donnerstag den Leitzins um 25 Basispunkte von -0.25 % auf 0 % angehoben. Im Zuge der Finanzmarktkrise war es die Schwedische Reichsbank, die als erste Notenbank den Einlagesatz im Juli 2009 in den negativen Bereich senkte. Sie war damit auch Vorreiterin für die Europäische Zentralbank (EZB).

Jetzt machen die nordischen Währungshüter als erste Schluss mit dem Experiment der Negativzinsen. Die Konjunkturaussichten für die schwedische Wirtschaft trübten sich zuletzt ein, die Industrieproduktion rutschte im Oktober gegenüber dem Vorjahresmonat gar in den tiefroten Bereich. Aus konjunktureller Sicht wäre also selbst eine geldpolitische Lockerung gerechtfertigt gewesen, doch Schweden möchte Schluss machen mit den Negativzinsen. Der Leitzins wird jetzt vorerst bei 0 % für längere Zeit verharren.

Die Frage, die sich nun stellt: Zieht die EZB nach? Es rührt sich bereits Widerstand gegenüber den Negativzinsen unter den europäischen Währungshütern, unter anderem steht der italienische Notenbankpräsident Negativzinsen mittlerweile skeptisch gegenüber. Die Konsequenzen der Zinspolitik treten immer offensichtlicher zutage. Viele Banken in der Währungsunion wollen die von der EZB erhobenen Strafzinsen an ihre Kunden weitergeben. Auch die Risikobereitschaft unter Anlegern wächst. Es ist obskur, wenn der im November publizierte EZB-Finanzmarktstabilitätsbericht vor den Risiken der eigenen Zinspolitik warnt.

Darüber hinaus gilt es auch, sozioökonomische Auswirkungen der Negativzinsen ins Kalkül zu ziehen. Da das Sparkonto nichts mehr abwirft, flüchten viele Anleger in Betongeld. Steigende Immobilienpreise führen aber dazu, dass sich selbst Gutverdiener kein Eigenheim mehr leisten können. Doch das grösste Problem sind die steigenden Mieten – vor allem in deutschen Grossstädten, wo sich Familien und Geringverdiener Innenstadtlagen kaum noch leisten können. Das schürt Unmut und gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt, ablesbar auch an Wählerwanderungen zu den rechten und linken Flügelparteien.

Ab Januar wird die EZB die geldpolitische Strategie überarbeiten. Dies würde die Chance eröffnen, sich von den Negativzinsen nach schwedischem Beispiel zu verabschieden. Würde etwa das Inflationsziel nach unten revidiert, könnte ein frühzeitiger Ausstieg unter formalen Aspekten gelingen. Dieses Szenario hat aus unserer Sicht gewisse Chancen. Zumindest besteht Überraschungspotenzial. Die EZB-Chefin Christine Lagarde ist nach eigenem Bekunden Teamplayerin und sucht den Konsens. Da sich nun selbst in Kreisen der südländischen Notenbanken Widerstand gegenüber Negativzinsen regt, könnte sich etwas bewegen. Aus deutscher Sicht hätte man das Negativzins-Experiment schon längst beenden können.

Und was bedeutet dies für die Schweizerische Nationalbank (SNB)? Die SNB ist aufgrund ihres Fokus auf die Wechselkursentwicklung von der EZB abhängig. Erst wenn in Frankfurt die Negativzinspolitik beendet würde, wäre auch in der Schweiz der Weg für höhere Zinsen frei. Möchte die SNB noch vor der EZB das Experiment dieser ungewöhnlichen Geldpolitik beenden, müsste zunächst der Wechselkurs des Frankens gegenüber dem Euro an geldpolitischer Bedeutung verlieren.

Gelingt in Schweden der Ausstieg aus der Negativzinspolitik ohne grössere wirtschaftliche Blessuren zu hinterlassen, wäre dies regelrecht eine Aufforderung an die SNB und die EZB, es dem nordischen Beispiel gleich zu tun. Negativzinsen mögen vielleicht im Zuge der europäischen Schuldenkrise ein adäquates Mittel gewesen sein, doch was in der Vergangenheit gut war, muss heute nicht zwangsläufig mehr gut sein. Im hohen Norden scheint man zu dieser Erkenntnis gelangt zu sein.

 

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Dr. Thomas Gitzel
Chief Economist, VP Bank Group     

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