Spotanalyse

Briten werden erneut zur Urne gerufen

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Die britische Arbeiterpartei (Labour) wird laut Medienberichten dem von Premierminister Boris Johnson eingebrachten Wahlgesetz zustimmen. Damit wird es voraussichtlich zwischen dem 9. und 12. Dezember zu einem Urnengang kommen. Die Neubestellung des Unterhauses wird de facto zu einem neuerlichen EU-Referendum.

Zwar liegen Johnson und seine konservative Tory-Partei in Führung. Ob es ihnen allerdings zu einer Mehrheit reichen wird, ist unklar. Vermutlich wird Johnson im kurzen Wahlkampf seine Rhetorik nochmals verschärfen, um möglichst viele Anhänger der Brexit-Partei in sein Lager zu ziehen. Aber selbst wenn es zu einer Wählerwanderung käme wäre Johnson vermutlich auf Koalitionspartner angewiesen.  

Auf der anderen Seite könnte sich ein Remain-Bündnis aus Brexit-Gegnern formieren. Aber auch wenn sich unter Führung von Labour und den Liberaldemokraten eine Koalition finden würde, ist eine regierungsfähige Mehrheit noch keine ausgemachte Sache. Anders sähe es aus, wenn Labour-Chef Jeremy Corbyn seinen Posten räumen würde. Umfragen zeigen, dass die Arbeiterpartei ohne ihren Vorsitzenden auf einen höheren Stimmanteil käme. Spannend wird deshalb zu sehen sein, wie sich in den kommenden Wochen die Arbeiterpartei positionieren wird – auch personell.

Johnson kann sich im Wahlkampf als Mann präsentieren, der der EU weitere Zugeständnisse beim Austrittsabkommen abgerungen hat. Er hat deshalb gute Chancen, auch neuer Regierungschef zu werden. Wäre dem so, würde das bestehende Austrittsabkommen verabschiedet werden. Das Vereinigte Königreich würde dann geordnet aus der EU ausscheiden. Ob Johnsons Regierung aber auch erfolgreich ein Freihandelsabkommen mit dem europäischen Festland aushandeln kann und wird, steht auf einem anderen Blatt.

Fakt ist, der Brexit wird uns noch lange Zeit beschäftigen. Die Übergangsfrist nach einem EU-Austritt Grossbritanniens gilt bis Ende 2020. Bis dahin wird es kaum gelingen, ein umfangreiches Freihandelsabkommen abzuschliessen. Weitere Verlängerungen sind vorprogrammiert.

Das Pfund dürfte sich vorerst kaum weiter nennenswert bewegen. Noch ist unklar, wie sich die Gemengelage in den kommenden Monaten entwickelt. Das heisst auf der anderen Seite, dass die britische Valuta die Kursgewinne der vergangenen Wochen nicht wieder abgeben wird – schliesslich gibt es begründeten Anlass zur Hoffnung auf einen weichen Brexit.

 

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Dr. Thomas Gitzel
Chief Economist, VP Bank Group     

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