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Digitale Transformation: Alexa arbeite für mich

Bernd Hartmann, Leiter CIO-Office · Harald Brandl, Senior Equity Strategist · Dominik Pross, Junior Investment Strategist
Lesedauer: 6 Min
Ob die Getränkeabfüllfirma Coca-Cola HBC stündlich 42'000 Pet-Flaschen füllt oder Amazon in seinen Lagern weltweit mehr als 100'000 autonome Roboter einsetzt: Das industrielle «immer schneller, immer günstiger» ist passé. Individuelle Kundenwünsche zu befriedigen, hohe Produktionsflexibilität und ein enges Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine bestimmen die Fabriken der Zukunft.

Industrielle Fertigung, sei es der Bau eines Autos oder die Produktion von Schrauben, steht bis anhin für maximale Produktionsmenge bei minimalem Kostenaufwand. Dank der Automatisierung einzelner Fertigungsschritte und der Produktionsoptimierung wurde die Herstellung immer reibungsloser und schneller. Der mittlerweile breite Einsatz von Industrierobotern hat die industrielle Fertigung nahezu perfektioniert. Zusätzliche Einsparungen wurden durch die Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer erreicht.

 

Dies ist der fünfte von sieben Teilen der Serie «Digitale Transformation – Der Weg in die Zukunft». In der Serie wird anhand von fünf Treibern erläutert, wie die Digitalisierung Geschäftsmodelle verändert und wie Investoren daran partizipieren können. Hier geht es zur Einführung und zum Überblick über die Serie.

Das bisherige Modell steht jedoch seit einigen Jahren unter Druck. Dafür sind zwei Faktoren verantwortlich. Zum einen führt der zunehmende Neo-Protektionismus zu einem Überdenken der bisherigen Globalisierungsstrategien. Handelsbeschränkungen und Strafzölle stören die global vernetzten Produktionsabläufe und zwingen international tätige Konzerne, ihre Produktionsstätten anzupassen. Zusätzlich giesst nun die Corona-Pandemie Öl ins Feuer und stellt wesentliche Komponenten der internationalen Fertigungsprozesse infrage. Die national sehr unterschiedlichen Gegenmassnahmen sorgen für Unterbrüche in Produktion, Zulieferung und Logistik – in einem konkursbedrohenden Ausmass. Das bisherige Globalisierungskonzept erfordert zwingend eine Anpassung.

Zum anderen verschmelzen dank technologischen Weiterentwicklungen traditionelle Fertigungsprozesse mit allen Facetten der digitalen Welt. Sogenannte «Smart Factories» verlassen den Pfad bereits ausgereizter Produktionsoptimierungen und nutzen die immer günstiger werdenden digitalen Technologien für den künftigen industriellen Wandel. Diese Fabriken der Zukunft vernetzen alle Informationen, beginnend mit der Forschung und Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, dem Auftragseingang über die Produktion bis hin zur Auslieferung und Anwendung.

Die «Smart Factory» denkt mit

Aber selbst in der Welt von morgen wird uns «Alexa» nicht die tägliche Arbeit abnehmen. Digitalen Sprachassistenten, die auf künstlicher Intelligenz basieren, begegnen wir jedoch nicht nur zuhause, sondern auch im Industrie- und Dienstleistungsgewerbe. Die Ambitionen des verarbeitenden Gewerbes und der Servicesektoren sind sowohl unterschiedlich als auch ähnlich. Für Dienstleister steht die Automatisierung und somit das Nutzen von Skaleneffekten im Vordergrund. In der Produktion geht es um neue Prozesse, die mehr auf Kundeninteressen und Flexibilität ausgerichtet sind; die Automatisierung ist bereits auf hohem Niveau sichergestellt. Nun soll die gesamte Wertschöpfung eingebunden werden. Es verwundert somit nicht, dass die Prozessoptimierung bei einer Umfrage des Risikokapitalgebers MMC Ventures an erster Stelle für Anwendungen von künstlicher Intelligenz genannt wird.

Künstliche Intelligenz: Applikationen in Anwendung im Jahr 2019

Künstliche Intelligenz

40 % der befragten Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe und 39 % des Transportwesens planen in den kommenden zwölf Monaten den Einsatz künstlicher Intelligenz. A.P. Moller-Maersk, einer der weltweit führenden Schifffrachtkonzerne, beschäftigt bereits 100 IT-Spezia-listen, die sich damit auseinandersetzen. Neue Wege, sowie innovative Lösungsansätze, werden dabei in den Bereichen Produkte und Dienstleistungen, Kundenzufriedenheit und Administration erhofft. Innerhalb moderner Fabriken werden systematisch alle Daten digital erfasst und in einen gesamtheitlichen Kontext gestellt. Die dadurch geschaffene Transparenz erlaubt neue und flexible Lösungswege.

Die Fabrik der Zukunft: agil, digital, nachhaltig

Die digitale Transformation ermöglicht es den Unternehmen, flexibler zu sein. Digitale Schlüsseltechnologien sind dabei neben der künstlichen Intelligenz auch virtuelle Realität und mobile Informatik (unter anderem die nächste Mobilfunkgeneration 5G). Der Chiphersteller Intel schätzt, dass eine digitale Fabrik pro Tag etwa 1 Petabyte an Daten erzeugt. Das ist vergleichbar mit dem Datenvolumen von 2003 Jahren Musik oder 160 Millionen Büchern. Der Informationstechnologie und -übertragung sowie der Datensicherheit kommt somit eine grosse Bedeutung zu. Hohe Prozessgeschwindigkeiten und Datenverschlüsselungen werden dabei mittels Blockchain, einer dezentralen Datenverknüpfung und -speicherung, ermöglicht.

Einfluss der fünf Schlüsseltechnologien

Einfluss der fünf Schlüsseltechnoligien

Eine weitere Schlüsseltechnologie ist die additive Fertigung, auch bekannt als 3D-Druck. Diese produziert nicht nur ressourcenschonend, sondern erlaubt andere Konstruktionsweisen. Mittels spezialisierter Industrieroboter werden Werkteile und dazugehörige Werkzeuge, mittels Flüssigwerkstoffen in einem Guss, erstellt. Dies kann als Vorfertigung, aber auch direkt als Bestandteil des Produktionsprozesses stattfinden.

GE Aviation nutzt diese Technologie im Rahmen der Triebwerksproduktion. Bei einem neuen Prototyp, der im kommenden Jahr zum Einsatz kommt, wurden die benötigten Triebwerksteile von 855 auf nur mehr 12 reduziert. Ein Quantensprung in der Flugzeugbranche, der nicht nur die Fertigungskosten deutlich senkt, sondern auch den Treibstoffverbrauch der Flugzeuge, weil grosse Gewichtseinsparungen erzielt werden.

3D-Drucktechnik: Global erwarteter Umsatz in Mrd. US-Dollar

3D-Drucktechnik

War vor wenigen Jahren noch die gläserne Fabrik von Volkswagen das Mass aller Dinge im Automobilbau, so setzt die «Factory 56» von Daimler ein neues, wegweisendes Ausrufezeichen. Der deutsche Autobauer errichtet an seinem Stammsitz eine 360 Grad vernetzte neue Produktionsstätte. Diese ermöglicht nicht nur eine Echtzeitkommunikation vom Anfang bis zum Ende der gesamten Wertschöpfungskette, sondern sie erlaubt auch eine hochflexible Fertigung dank «TecLines». Dabei wird das klassische Fliessband durch fahrerlose Transportsysteme ersetzt und dadurch die Produktion unterschiedlicher Fahrzeugmodelle auf einer Fertigungslinie möglich. Bisher waren solche Linien immer speziell auf einzelne Modelle ausgerichtet. Dies ist ein absolutes Novum in der Fahrzeugherstellung und kann sich als Schlüssel zur Lösung von Herausforderungen im internationalen Handel entpuppen. Transportkosten und Einfuhrzölle würden dabei schrittweise minimiert.

Bei der Fabrik der Zukunft steht die Technologie im Zentrum, jedoch der Mensch im Mittelpunkt, sowohl als Kunde als auch als Arbeitnehmer. Industrieländer mit einer hohen Roboterdichte weisen eine im Durchschnitt tiefere Arbeitslosigkeit aus. Gleichermassen erwartet das WEF (World Economic Forum), dass weltweit bis 2022 133 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen, während im gleichen Zeitraum 75 Millionen ersetzt werden dürften. Das Klischee des Roboters, der den Menschen die Arbeit wegnimmt, oder die Lohnkosteneinsparung durch Verlagerung der Produktion in Billiglohnländern ist passé.

Fazit

Die digitale Transformation wird nicht nur die Produktion verbessern und den Materialverbrauch reduzieren, sondern auch den Kundennutzen deutlich erhöhen. Damit begegnet die Industrie geopolitischen und klimabedingten Herausforderungen. Aus unserer Sicht ein gewinnbringender und nachhaltiger Trend, den es nicht nur zu nutzen, sondern auch zu unterstützen gilt.

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