Unsere Sicht im Februar
Die Inflationsraten fallen, erste Konjunkturindikatoren steigen schon wieder. Dadurch wird die Hoffnung genährt, dass die Wirtschaft weich landen wird und eine Rezession vermieden werden kann. Wir sind anderer Meinung. Taktisch bevorzugen wir deshalb Anleihen gegenüber Aktien.
Was für ein Jahresauftakt an den Finanzmärkten, speziell für Aktien. Grund für die Erholung sind die fallenden Inflationsraten und die damit verbundene Zuversicht, dass die Notenbanken bald mit ihren Leitzinserhöhungen aufhören können. Im Falle der US-Notenbank Fed gehen die Terminmärkte sogar von ersten Zinssenkungen noch in diesem Jahr aus. Aus dieser Optik ist klar: Wenn die Zinsen nicht mehr steigen und bald sinken, dann ist das gut für Aktien. Besonders jene Titel und Sektoren waren bislang gesucht, die letztes Jahr am meisten abgestraft wurden.
Spinnen wir dieses Szenario aber etwas weiter, ist die Sache nicht mehr so klar. Warum würde die Fed bereits im zweiten Halbjahr die Zinsen senken? Das würde sie nur tun, wenn entweder die Inflation kollabiert oder die Wirtschaft einbricht. Ersteres ist selbst mit sehr optimistischen Annahmen wenig wahrscheinlich. Letzteres wäre umso schmerzhafter für Aktien, da die Bewertungen eine Rezession nicht abbilden.
Bleibt der Mittelweg. Die Inflation sinkt bis zum Jahresende weiter und konjunkturell kommt es zu einer sanften Landung, einer Abschwächung ohne Rezession. Nur: Warum sollte die Fed in diesem Szenario die Zinsen senken? Müsste sie diese nicht sogar weiter erhöhen, da die Wirtschaft nach der weichen Landung wieder Fahrt aufnimmt und damit die Inflation erneut anfachen würde?
Wie man es dreht und wendet, die Katze beisst sich in den eigenen Schwanz. Deshalb trauen wir der jüngsten Erholung nicht über den Weg. Aktien sind in unserem Portfolio weiterhin stark untergewichtet.
- Staatsanleihen werden durch fallende Inflationsraten und die einsetzende Rezession unterstützt
- Schwellenländeranleihen profitieren vom schwächeren Dollar und zeigen eine Verbesserung bei Rendite und Risiko
- Kreditaufschläge sind zu tief, auch für Szenario ohne oder nur mit milder Rezession
- Unternehmensgewinne entwickeln sich im Schnitt schlechter als erwartet
- Bewertungen sind für ein Rezessionsszenario zu hoch
Rezession hat in einigen Staaten begonnen
In Europa blickten Unternehmen in den Herbstmonaten äusserst düster in die Zukunft. In den vergangenen Wochen hat sich ihr Ausblick wieder deutlich verbessert. Unter Ökonomen keimte die Hoffnung, dass eine Rezession vermieden werden könnte. Mittlerweile herrscht klare Sicht: Einige EU Staaten haben im vierten Quartal eine Phase wirtschaftlicher Kontraktion begonnen. Darunter befinden sich etwa Deutschland und Italien. Die gute Nachricht: Es handelt sich nicht um den vielbefürchteten Absturz, sondern um eine «normale» Rezession. Die Wiederöffnung der chinesischen Volkswirtschaft nach der Covid-Pandemie dürfte derweil erst mit zeitlicher Verzögerung positive Wirkung zeigen. Der starke Anstieg der Neuinfektionen wird das öffentliche Leben zunächst noch behindern. In den Frühjahrs- und Sommermonaten werden dann jedoch Nachholeffekte im Dienstleistungssektor positive Wirkung entfalten.
- Rezession in Europa dürfte milder und kürzer ausfallen als ursprünglich befürchtet
- Der bessere Konjunkturausblick für Europa hellt Perspektiven für Weltwirtschaft auf
- USA dürften in eine Rezession rutschen, massgeblich wegen der geldpolitischen Daumenschrauben
- Chinesische Wirtschaft leidet unter zurückhaltenden Konsumenten in den USA und Europa
Fed pausiert bald
Die letzte Runde an Notenbanksitzungen beruhigte die Marktteilnehmer zunächst. Die Entscheide fielen im Rahmen der Erwartungen aus. Auch die Wortwahl der US-Notenbank erschreckte nicht. Das Credo aus Washington lautete: Wir sind noch nicht am Ende, aber bald. Die Europäische Zentralbank (EZB) will hingegen ihren im Dezember skizzierten Weg in die Tat umsetzen. Nach der jüngsten Zinserhöhung im Februar steht im März eine weitere von erneut 50 Basispunkten auf der Agenda. Danach geht es vermutlich weiter, aber nicht mehr mit Schritten von 50, sondern eher mit solchen von 25 Basispunkten. Das klare Bild erhielt Risse, als die Daten einen unerwartet starken US-Jobmarkt im Januar zeigten (mehr hier). Zweifel kamen auf, ob die Fed nicht doch mehr machen wird als erwartet. Da sich aber das Lohnwachstum abschwächte und die Inflationsraten weiter fallen werden, wird sie aus unserer Sicht ab Mai von neuen Zinserhöhungen absehen.
- Fed ist in der Nähe des Zinshochs
- Fallende Inflationsraten erleichtern Job der Währungshüter– trotz des starken Arbeitsmarkts
- SNB kann dank niedriger Inflationsrate zurück zu positiven Realzinsen
- EZB wird den Leitzins um vermutlich weitere 100 Basispunkte erhöhen
- Restriktive Geldpolitik kann für Finanzmarktstress sorgen
Jüngster Renditeanstieg keine Trendumkehr
Die Renditen am langen Ende der Zinskurve tendierten zuletzt wieder leicht nach oben. An den Märkten hat der gute US-Arbeitsmarktbericht Zweifel genährt, ob die Fed nicht noch längere Zeit Zinserhöhungen vornimmt. Wir rechnen nicht damit. In den kommenden Monaten wird die Inflationsthematik an Brisanz verlieren. Es dürfte zudem sichtbar werden, dass die US-Wirtschaft an den bislang beschlossenen Zinserhöhungen der Fed zu beissen hat. Die Kombination aus schwächeren Daten zur Wirtschaft und fallenden Inflationsraten wird die Fed dazu veranlassen, in den Frühjahrsmonaten von weiteren Zinsanhebungen abzusehen. Gerade deshalb erachten wir den jüngsten Renditeanstieg nicht als Trendumkehr, sondern als Konsolidierungsphase. In Europa werden die Renditen am kurzen Ende der Zinskurve mit der fortgesetzten geldpolitischen Straffung der Europäischen Zentralbank (EZB) nach oben gehen.
- US-Staatsanleihen bleiben 2023 durch fallende Inflationsraten und die einsetzende Rezession gut unterstützt
- Trend im US-Treasury-Markt färbt positiv auf europäische Staatstitel ab
- Inflationsraten sind in der Eurozone immer noch weit über dem EZB-Ziel, was diese zu einem längeren Straffungskurs zwingen könnte
- Fed könnte wegen des starken Arbeitsmarkts mehr Zinserhöhungen vornehmen
Trotz hoher Rendite nicht attraktiv
Unternehmensanleihen mit einem Rating schlechter als Investment Grade, Speculative Grade oder High Yield genannt, rentieren aktuell mit 8.2 % rund doppelt so hoch wie noch am Anfang des letzten Jahrs. Um die Attraktivität zu beurteilen, lohnt sich die Aufspaltung dieser Zahl. Die Entschädigung für das Kreditrisiko, der Kreditaufschlag, ist um einen Prozentpunkt gestiegen. Drei Prozentpunkte betrug der Anstieg des risikofreien Teils, welcher damit die aktuelle Inflation nicht vollumfänglich abdeckt. Die Zinskurve war noch nie so invers wie in diesen Tagen (10-jährige Rendite minus 2-jährige), als erstmals seit über 40 Jahren ein neuer Rekordwert realisiert wurde. Sie signalisiert damit das grösste Rezessionsrisiko seit der grossen Stagflation. Unseres Erachtens sollte dieses Risiko mit einem zweistelligen Kreditaufschlag abgegolten werden, nicht wie derzeit mit bloss 4 %. Wir halten die Anlageklasse daher trotz der hohen Renditen für unattraktiv und bevorzugen Staatsanleihen.
- Renditen haben deutlich zugelegt
- Inflationsraten rückläufig
- Enorme Konjunkturunsicherheit
- Kreditaufschläge zu tief, auch für Szenario ohne oder nur mit milder Rezession
- Höhere Refinanzierungskosten schwächen Bilanzen mittelfristig
- Hoher Refinanzierungsbedarf ab 2024
Hoffnung beflügelt Börsen
Weltweit erleben die Aktienmärkte einen guten Start ins Jahr. Europa erweist sich mit einem Plus von rund 9 % als stärkste Region. US-Indizes konnten ebenfalls deutlich aufholen, kleinkapitalisierte Unternehmen und Technologiewerte waren besonders gesucht. Dieses Muster ist sehr häufig in Erholungsphasen eines Abwärtstrends zu beobachten. Fällt der Blick auf Frühindikatoren und Daten zum Bruttoinlandprodukt, wird diese übergeordnete Sicht bestätigt, denn beide entwickeln sich sowohl in den USA als auch in Europa in Richtung einer Rezession. Solide Auftragseingänge sind vorwiegend in Branchen erkennbar, die von der Transformation der Energieversorgung profitieren. Ansonsten zeigten die Gewinnausweise für das abgelaufene Jahr ein sehr gemischtes, tendenziell vorsichtiges Bild. Die Aktienmärkte sind weiterhin mit erhöhen Risiken behaftet, der bisherigen Erholung sollte in Kürze eine Konsolidierung folgen.
- Entspannung der Gaspreise in Europa und in den USA
- Weiterer Rückgang bei Konsumenten- und Produzentenpreisen
- Normalisierung der Geschäftsaktivitäten in Asien begünstigt vor allem Europa
- Unternehmensgewinne entwickeln sich im Schnitt schlechter als erwartet
- Sinkende Auftragseingänge in den meisten Industrieregionen
- Internationaler Seefrachtverkehr spürt einen ersten Nachfragerückgang
Von Zweckoptimismus getriebener Aktienmarkt
Aktien in den USA sind seit Jahresbeginn um rund 7 % gestiegen, wobei die bisherigen Trendprotagonisten wie Facebook, Apple, NVIDIA, Google und Microsoft zusammen um knapp 28 % anstiegen. Für die meisten Werte ist diese Entwicklung konträr zu den ausgewiesenen Gewinnen und Wachstumstrends. Kurstreiber ist die Vorwegnahme einer sinkenden Inflation. Auch deutlich gesunkene Gas- und Energiepreise unterstützen das Anlegersentiment. Frühindikatoren wie die Industrieauslastung und Neuaufträge indizieren jedoch eine baldige wirtschaftliche Abkühlung, gleichzeitig nehmen Nachrichten über Massenentlassungen bei US-Unternehmen zu. Die aktuelle Aktienentwicklung in den USA hat somit wenig Potenzial. Im historischen Vergleich fundamentaler Bewertungen wirkt diese Entwicklung sogar leicht bedrohlich. Eine baldige Konsolidierung wird immer wahrscheinlicher.
- Der starke Arbeitsmarkt unterstützt eine robuste Wirtschaftsentwicklung in den USA
- Im Hinblick auf die Transformation des Energiesektors und auf erhöhte Verteidigungsausgaben der Nato-Länder sind die USA hervorragend positioniert
- Frühindikatoren wie Industrieauslastung und Neuaufträge weisen auf eine wirtschaftliche Abkühlung hin
- Fed zeigt sich restriktiv und weicht nicht vom geldpolitischen Ziel ab
- Teure fundamentale Bewertung
Einzigartiger Prämienanstieg im aktuellen Jahr
Hurricane Ian, der im September 2022 auf die USA traf, war mit geschätzten Schäden von USD 113 Mrd. die drittteuerste Katastrophe seit es Aufzeichnungen gibt. Zusätzlich belasten Verluste in den Portfolios von Versicherungen und Rückversicherungen die Bilanzen. Dadurch mangelt es derzeit an Versicherungskapital. Die Nachfrage danach steigt am Verbriefungsmarkt (Cat-Bonds / ILS). Mehr Nachfrage nach Versicherungskapital entsteht auch durch die Inflation und die höheren Wiederherstellungskosten von Infrastruktur. Dieses Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage hat die Coupons bei Cat-Bonds gegenüber den Vorjahren auf 13.6 % fast verdoppelt. Bei Cat-Bonds resultierte 2022 im Schnitt ein Verlust von rund 2 %. Ein Beitrag zu dieser Bilanz waren Kursverluste von 3.5 %, welche bis zur Fälligkeit wieder aufgeholt werden. Selbst bei einer Wiederholung des Schadensjahres 2022 würden dieses Jahr also deutliche Gewinne winken.
- Anlageklasse war risikobereinigt noch nie so attraktiv wie derzeit
- Aufwertungsgewinne sind grösser als die modellierten erwartete Schäden
- Ausgezeichnete Diversifikationseigenschaften
- Weniger Gewinnpotenzial im Vergleich zu Aktien oder Anleihen, falls sich das Rahmenumfeld verbessert
- Naturkatastrophen können nicht prognostiziert werden – grosse Schäden sind jederzeit möglich
Dollar konsolidiert
Der Euro notierte kurzzeitig über 1.10 gegenüber dem Dollar, ehe es wieder in den Rückwärtsgang ging. Der gute US-Arbeitsmarktbericht verlieh dem Dollar frischen Rückenwind. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass die Fed ab Mai keine weiteren Zinsanhebungen lancieren wird. Die Dollar-Stärke erachten wir deshalb nicht als Trendwende, sondern als Konsolidierungsbewegung. Es sollte nicht vergessen werden, dass der Euro seit Herbst um zeitweise mehr als 15 % gegenüber dem Dollar zugelegt hat – und dies ohne nennenswerte Rücksetzer. Eine Konsolidierung war gewissermassen überfällig. Am übergeordneten technischen Bild ändert dies nichts: Spekulative Terminverkäufe des Euro werden derzeit aufgelöst, was die europäische Gemeinschaftswährung auf Sicht der kommenden Monate stützen sollte (mehr Details gibt hier).
- Einfluss der Geldpolitik auf den Dollar wird in den kommenden Monaten schwinden
- Das Überraschungspotenzial liegt weiterhin aufseiten des Euro
- Als sicherer Hafen bleibt der Schweizer Franken gefragt
- Aufwertung von Währungen von Schwellenländern bleiben wegen Inflationsrisiken begrenzt
- Wir rechnen nicht mit einer Abkehr der japanischen Geldpolitik, was den Yen im Vorjahresvergleich schwach halten sollte
Dr. Felix Brill, Dr. Thomas Gitzel, Harald Brandl, Bernhard Allgäuer, Jérôme Mäser
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