Investment Ideen

Folgen der Corona-Krise für Unternehmen

Harald Brandl, Senior Equity Strategist
Lesedauer: 7 Min
Social distancing, Homeoffice, Maskenpflicht: Die COVID-19-Pandemie hat unser Leben verändert. Diese Erfahrungen werden unsere Zukunft prägen. Das gilt genauso für den Aktienmarkt. Wir zeigen, welche vier Trends die kommenden Jahre prägen werden und welche Unternehmen davon profitieren.

Weltweit sind Wirtschaft und Gesellschaft immer noch durch die Corona-Pandemie (COVID-19) herausgefordert. Während sich viele danach sehnen, endlich keine Masken mehr tragen zu müssen, ohne grössere Probleme Ferien in ihren Lieblingsdestinationen zu buchen oder einfach nur mit Freunden und Familie auszugehen, sind die historisch hohe Arbeitslosigkeit und eine mögliche zweite Welle die harte Realität, die das verhindert.

Die Erholung weiter Teile der Wirtschaft schreitet zwar rasch vorwärts. Aber sowohl das Verbraucher- als auch das Investitionsverhalten sind alles andere als überschwänglich. Viele Geschäfte arbeiten noch nicht kostendeckend und vor allem in der Freizeit- und Unterhaltungsbranche ist es den kleineren und mittleren Betrieben aufgrund der Hygiene-Vorschriften noch nicht möglich, ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Nachfolgende wirtschaftliche Komplikationen der Quarantäne sind weiterhin noch nicht abschätzbar. Hinzu kommt, dass staatliche Konjunkturpakete wohl erst mit Beginn des ersten Quartals 2021 langsam auf den Weg gebracht und somit erst verzögert Wirkung entfalten werden.  

Von der Krise am härtesten betroffen ist somit der Teil der Wirtschaft, der für Aktieninvestoren keine unmittelbare Rolle spielt, da kleine Unternehmen nicht an der Börse kotiert sind, oder gewisse Sektoren nicht auf dem Kurszettel vertreten sind.

Aber auch für die börsengehandelten Unternehmen werden sich die kommenden Quartale ruppig gestalten und von Unsicherheiten geprägt sein. Dabei ist es wahrscheinlich, dass auch grössere Unternehmen nicht von Konkursen verschont bleiben werden, wie etwa der Fall des Autovermieters Hertz gezeigt hat. Dennoch zeichnet sich bereits jetzt eine trendbeeinflussende Dynamik ab, die aus Anlegersicht sehr interessant ist. Im Wesentlichen erkennen wir dabei die folgenden vier Strömungen, von denen wir erwarten, dass diese mittel- bis langfristig das Investitionsumfeld bestimmen werden:

  1. Digitale Transformation und Automation
  2. Neue Globalisierungsmuster
  3. Unternehmensstärke und regionale Präsenz
  4. Ökologische und soziale Nachhaltigkeit
Digitale Transformation und Automation

Die Pandemie legt die Vorteile aber auch die Herausforderungen der digitalen Transformation schonungslos offen. Sehr schnell verändert hat sich das Kaufverhalten der Konsumenten und der Onlinehandel erlebte dabei auch im Nahrungsmittelbereich einen Boom. Gleichermassen halfen digitale Technologien in der Telemedizin und in der Online-Kommunikation der Herausforderung zu begegnen. Das Arbeiten von zu Hause aus wurde in nahezu allen Branchen im Dienstleistungssegment aber auch im verarbeitenden Gewerbe ein wichtiges Thema der Arbeitgeberattraktivität. Diese Entwicklung wird sich sicher abschwächen. Hier zeichnet sich bereits jetzt ein Trend ab, hin zu höherer Arbeitsplatzflexibilität und intensiverer Nutzung von Onlinekommunikation.

Lücken zeigten sich in den Bereichen Datensicherheit und Privatsphäre. Apple und Google mussten aufgrund starker Interventionen der deutschen Regierung ihre Betriebssysteme anpassen. Nutzerdaten der von der Bundesrepublik Deutschland erstellten Corona-App können somit nicht mehr im Hintergrund, und zumeist ohne das Wissen der Nutzer, abgegriffen und für andere Zwecke weiterverwendet werden. Im Gegensatz dazu wurde das Nutzen der Software, der auf Videokonferenzen spezialisierten Zoom Video Communication, aufgrund der fehlenden Datensicherheit von zahlreichen Unternehmen verboten. Die Notwendigkeit einer modernen digitalen Infrastruktur wurde jedoch rasch erkannt und staatlich angekündigte Infrastrukturprojekte adressieren dies. Die Europäische Union investiert mehr als EUR 400 Mio. in die Entwicklung der 5G-Netz-werktechnologie, elf Projekte starten hierbei bereits im September dieses Jahres. Einen Schritt weiter geht der amerikanische Präsidentschaftskandidat Joe Biden. Er stellte in Aussicht, die Erforschung und Entwicklung in neue Technologien (unter anderen 5G und Elektrobatterien) mit USD 300 Mrd. zu fördern.

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Neue Globalisierungsmuster

Die mit Schutz und Sicherheit begründeten Quarantänemassnahmen sind auf hochkomplexe wirtschaftlich zusammenhängende Systeme getroffen. COVID-19 zeigte damit deutlich auf, dass weder die Notfallpläne von Staaten, noch die der Unternehmen der Pandemie genügten. Der internationale Austausch von Gütern und Dienstleistungen wurde aber erst jetzt während der Krise gebremst. Der Fluss war bereits in den letzten Jahren durch zunehmende protektionistische Tendenzen herausgefordert. Bis heute sind Produktions- und Lieferketten gestört und verlangsamen zusätzlich die Rückkehr zum «Normalbetrieb». Dabei sind die immer noch geltenden und zum Teil sehr unterschiedlichen Eindämmungsmassnahmen verschiedener Länder nicht hilfreich. Diese Erfahrung wird Unternehmen zwingen, nicht nur die Notfallpläne zu überdenken, sondern auch ihre Geschäftsstruktur. Es ist daher absehbar, dass der internationale Handel teurer und regulativ komplizierter werden wird.

Um diese negativen Effekte bei einer neuen internationalen Pandemie zu verringern, ist eine Neuordnung des global eng verzahnten Wertschöpfungsprozesses erforderlich. Das Schaffen regional selbstständiger Geschäftseinheiten steht dabei im Vordergrund. Digitale Industrietrends im Hinblick auf additive Verarbeitungen (sogenannter 3D-Druck) aber auch der Einsatz künstlicher Intelligenz und virtueller Realität schaffen hierbei zeitnah neue Realitäten. Damit erhalten Unternehmen nicht nur eine deutlich verbesserte Flexibilität, auch die Nähe zu Kunden und Endverbrauchern wird verbessert.

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Unternehmensstärke und regionale Präsenz

Der seitens der USA stark polarisierte internationale Handelsstreit sorgt bereits seit 2018 für schrittweise höhere Kosten und gestiegene Planungsunsicherheit für international tätige Konzerne. COVID-19 fügt diesem eine zusätzliche Komplexität hinzu. Unternehmen mit sehr dünnen Geschäftsmargen und einem Fokus auf traditionelle, noch nicht digitalisierte Betriebsabläufe sind bedroht. Denn der beschleunigte industrielle Wandel schmälert die Margen und führte bereits zum Konkurs sehr grosser Unternehmen (u.a. Hertz, Chesapeake Energy) oder brachte sie, wie bei der deutschen Airline Lufthansa und ihrer Tochter Swiss, sehr nahe daran. So wie diese mussten oder konnten sie dabei auf staatliche Hilfe zählen. So hilfreich das Geld ist, Staatshilfen haben ihren Preis. Nach der Erfahrung der Finanzkrise 2008/09, wo den Politikern vorgeworfen wurde, sie hätten die Banken ohne Auflagen gerettet, werden jetzt unverhohlen direkte Forderungen im Hinblick auf die Bezüge der Geschäftsleitung oder der Ausschüttung an Aktionären gemacht. Ebenso werden eigene Wettbewerbsvorstellungen durchgesetzt. Lufthansa musste im Gegenzug ihrer staatlichen Rettung auf wichtige Start- und Landerechte, sogenannte Slots, in Frankfurt und München verzichten. Gleichermassen ist zu beobachten, dass Staaten bei Zuschüssen die heimische Wirtschaft im Blick haben. Der Erhalt und das Schaffen von Arbeitsplätzen in der eigenen Region oder im eigenen Land ist das zentrale Ziel.

Neben der regionalen Präsenz zählen Bilanz und Gewinnentwicklung von Unternehmen. Solche mit starkem Gewinnwachstum bei gleichzeitig solider Geschäftsführung und gesunden Bilanzverhältnissen erwirtschaften mittel- bis langfristig für ihre Investoren eine deutlich bessere Anlagerendite als der Gesamtmarkt. Gesucht sind hohe Eigenkapitalrenditen bei niedriger Verschuldung. Ebenso ist es wichtig, dass das Unternehmen fähig ist, aus den Umsätzen einen operativen Geldfluss zu erzeugen. Hierüber gibt die «Cash Conversion Rate» Auskunft und zeigt auf, wieviel des ausgewiesenen Nettoertrags als direkte operative Liquidität geschaffen wurde. Diese Kennzahl schwankt erheblich zwischen den unterschiedlichen Industriesektoren, qualitativ hochwertige Unternehmen weisen dabei mindestens ein Verhältnis von über eins aus.

Für die kommenden Quartale sollten Unternehmen mit solider Geschäftsführung und starken Wurzeln im Heimmarkt deutliche Vorteile spüren.

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Investmentidee «In Qualität investieren»
Investmentidee «Dividenden in Zeiten wirtschaftlicher Quarantäne»

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Ökologische und soziale Nachhaltigkeit

Die Bekämpfung des Klimawandels, aber auch der ungleichen Vermögensverteilung sind zwei erklärte Ziele, die – zumindest in Europa – mit den nun geplanten Staatsinvestitionen verknüpft werden. Mindestens die Hälfte der zugesagten EU-Mittel werden mit dem im Frühjahr 2020 vorgestellten «Green Deal» verlinkt. Joe Biden formulierte in seiner Wahlkampfrede den Begriff «Green Recovery». Seine Vorstellung der Ankurbelung der US-Wirtschaft setzt dabei stark auf ökologisch nachhaltige Infrastrukturprojekte um dem Klimawandel zu begegnen.

Doch diese Betrachtung erfasst noch nicht annähernd die strategische Dimension der staatlichen Lenkungsmassnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels. In einer ausführlichen Studie erläutert Goldman Sachs, dass in Kombination von Staatsmitteln und privaten Investitionen mehr als 7 Billionen US-Dollar bis zum Jahr 2050 aufgewendet werden. Im kommenden Jahr fliessen den erneuerbaren Energien mehr Investitionsgelder zu als für den gesamten traditionellen, von fossilen Brennstoffen dominierten Energiesektor. Die Staaten bieten dabei nicht nur direkte Investitionsunterstützung, sondern helfen auch mit günstigen Kreditkonditionen und einer attraktiven Regulierung. Bezogen auf die beabsichtigten Massnahmen, die dem letzten Pariser Abkommen zugrunde liegen, werden bis 2030 15 bis 20 Millionen Arbeitsplätze im Segment der erneuerbaren Energien geschaffen.

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Fazit

Die wirtschaftliche Entwicklung der kommenden Quartale wird weiterhin von hohen Unsicherheiten begleitet. Dabei wird COVID-19 nur ein Aspekt von mehreren sein. Zusätzliche Risiken sind in dem erneut aufflammende Handelsstreitigkeiten aber auch erhöhten geopolitische Spannungen zu erkennen. Demgegenüber steht eine noch nie dagewesene Entschlossenheit wichtiger Industrienationen, die Wirtschaft mit hohen Summen zu unterstützen, damit aber auch eigene Ziele (wie den ökologische Umbau) zu verbinden. Einige davon zeichnen sich bereits jetzt deutlich ab und bieten in Zeiten der aktuellen Unsicherheiten nicht nur eine gute Orientierung, sondern schaffen für langfristig denkende Investoren aussichtsreiche Opportunitäten.


 

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