Spotanalyse

Deutschland: Industrieproduktion und Exporte setzen guten Lauf fort

Dr. Thomas Gitzel, Chief Economist VP Bank Group
Lesedauer: 2 Min
Die Industrieproduktion in Deutschland legt im November um 0.9 % gegenüber dem Vormonat zu. Die Exporte verzeichnen mit 2.2 % ein deutliches Plus.

Beim Blick auf die Industrie- und Aussenhandelsdaten würde man nicht glauben, dass Deutschland derzeit eine der schwierigsten wirtschaftlichen Phasen der Nachkriegsgeschichte durchläuft. Die Industrieproduktion klettert aus ihrem tiefen Corona-Loch heraus, die Exporte verbuchen seit Mai Zuwächse und die Auftragseingänge lagen zuletzt selbst gegenüber dem Vorjahr satt im Plus.

Das Datenmaterial lässt eher auf einen Konjunkturboom als auf wirtschaftliche Magerkost schliessen. Allerdings zeigt die Entwicklung in der Industrie nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass Teile des Dienstleistungsbereich, allen voran das Hotel- und Gaststättengewerbe und der Freizeitsektor, massiv unter den Eindämmungsmassnahmen leiden.

Vor allem die Exporte nach China florieren. Gegenüber dem Vorjahresmonat liegen sie um 14.3 % im Plus. China profitiert von einer Corona-Sonderkonjunktur. Chinesische Konsumartikel wie Elektronik sind derzeit gefragt, was die dortige Produktion kräftig anschiebt. Die gute chinesische Einkommenssituation lässt die Nachfrage nach hochpreisigen deutschen Autos steigen. Wenn China produziert, sind auch die Produkte der deutschen Maschinenbauer gefragt. Einmal mehr zeigt sich: Geht es China gut, profitiert Deutschland.

Das fortgesetzt gute Datenmaterial lässt darauf schliessen, dass der Wachstumseinbruch im vierten Quartal 2020 weniger stark ausfällt als vielerorts erwartet wird. Ein von uns erwartetes Minus von 0.4 % gegenüber dem dritten Quartal würde bedeuten, dass die deutsche Volkswirtschaft in Anbetracht der widrigen Umstände noch mit einem blauen Auge davonkommen würde.

Fakt ist also, dass Teile der deutschen Wirtschaft erstaunlich gut laufen. Dazu gehört eben die Industrie, aber selbst die Einzelhandelsumsätze konnten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes auf Basis einer vorläufigen Schätzung ein reales Plus von 4.1 % im Jahr 2020 verbuchen. Der Dienstleistungssektor reisst also die Löcher ins Bruttoinlandsprodukt.

Das heisst im Umkehrschluss, dass die normalerweise beobachtbaren Nachholeffekte in der Erholungsphase geringer ausfallen werden. Das ausgefallene Essen im Restaurant, der Frisörbesuch oder auch der ausgebliebene Ausflug in den Freizeitpark können nur bedingt nachgeholt werden. Die Industrie und der Einzelhandel, wozu auch der Onlinehandel zählt, haben in Anbetracht der guten gegenwärtigen Situation kaum etwas nachzuholen.

Die Daten aus der Industrie belegen einmal mehr, dass die Corona-Rezession eine äusserst spezielle Anatomie aufweist. Dies hat Auswirkungen auf den Wachstumsausblick 2021. Je besser es gegenwärtig läuft, desto weniger kann später nachgeholt werden.

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