Spotanalyse

Euro flirtet mit der Marke 1.20

Dr. Thomas Gitzel, Chief Economist VP Bank Group
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Viele Länder der Eurozone verzeichnen Erfolge im Kampf gegen die zweite Corona-Welle. Das stärkt die wirtschaftliche Zuversicht. Aber auch Hoffnungen auf eine gütliche Brexit-Einigung geben der europäischen Gemeinschaftswährung Rückenwind.

Darüber hinaus half dem Euro in den vergangenen Wochen bereits die freundliche Tendenz an den Aktienmärkten. Der US-Dollar ist nach wie vor ein „sicherer Hafen“. Steigt die Nervosität an den Finanzmärkten, profitiert der Greenback. Im umgekehrten Falle einer erhöhten Risikoneigung ist der US-Dollar weniger gefragt. Unter Bewertungsgesichtspunkten ist der Euro ohnehin unterbewertet. Die Kaufkraftparität legt trotz der bereits erzielten Kursgewinne des Euro höhere Wechselkursniveaus gegenüber dem Dollar nahe. Das Ende der Fahnenstange ist deshalb noch nicht erreicht. Kursniveaus von 1.23 gegenüber dem US-Dollar sollten auf Sicht der kommenden Wochen ins Kalkül gezogen werden.

Spannend bleiben derweil die verbalen Reaktionen der EZB. Verteuert sich der Euro, verbilligen sich Importe. Ein günstigerer Wareneinkauf im Ausland drückt wiederum die Inflationsrate. Kursgewinne der europäischen Gemeinschaftswährung stehen also dem Erreichen einer von der EZB so sehr gewünschten höheren Inflationsrate gegenüber. Gerade auch vor dem Hintergrund des verhältnismässig starken Euro wird die EZB bei ihrer Sitzung am 10. Dezember die geldpolitischen Schleusen weiter öffnen. Die Wertpapieraufkaufprogramme dürften nochmals aufgestockt werden. Gleichzeitig dürften die verbalen Interventionen der EZB-Offiziellen wieder an Intensität gewinnen.

Allerdings ist nicht damit zu rechnen, dass die europäischen Währungshüter damit eine weitere Euro-Stärke verhindern können. Legt EZB-Chefin Christine Lagarde im Dezember nochmals eine geldpolitische Schippe drauf, könnte dies an den Finanzmärkten als vorzeitiges Weihnachtsgeschenk aufgenommen werden. Goutiert man also an den Aktienmärkten weitere EZB-Aktionen mit Kursgewinnen, wird der Euro im Zuge der höheren Risikoneigung weiter profitieren. Dieser Wirkungsmechanismus sollte im EZB-Hochhaus in Frankfurt bedacht werden.

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