Spotanalyse

Die zweite Corona-Welle wird zum Spielverderber

Dr. Thomas Gitzel, Chief Economist VP Bank Group
Lesedauer: 3 Min
Ach, wie schön war doch der Sommer. In Europa und in den USA liessen sich weitgehend sorgenfreie Sommerferien geniessen. Pasta essen in Jesolo, eine Paella-Pfanne in Palma oder den Raki auf Kreta trinken – das alles war fast unbeschwert möglich.

Wie wir jetzt wissen, war uns nur eine kurze Atempause gegönnt. Das Corona-Virus breitet sich wieder rasant aus. Die Anzahl der täglichen Neuinfektionen schiesst in die Höhe. In der Schweiz hat sich die Anzahl an Personen, die sich neu mit Corona infiziert haben, innerhalb von 11 Tagen knapp versiebenfacht. In den vergangenen Wochen herrschte die Meinung, dass vor allem jüngere Bevölkerungsgruppen betroffen seien, die die Viruserkrankung meist unbeschadet überstehen. Doch das Bild scheint aktuell zu wechseln. Die Belegung von Krankenhausbetten mit Corona-Patienten nimmt wieder zu. Obwohl die Niveaus von April noch weit entfernt sind, klar ist, die Politik kann den Entwicklungen nicht tatenlos zusehen.

Neue Lockdowns?

In Deutschland ringen Bund und Länder um eine gemeinsame Linie im Kampf gegen Covid-19. Kontakt-beschränkungen im öffentlichen Raum, sofern sich lokale Situationen verschärfen, werden dabei das Gebot der Stunde sein.

In den Niederlanden geht man deutlich rigider vor. Die Regierung verordnete einen Teil-Lockdown, die schon mehr an die restriktiven Massnahmen der Monate März und April erinnern. Wenn Bars, Cafés und Restaurants geschlossen werden und Bus und Bahnen nur noch in dringenden Fällen benutzt werden sollen, dann kommt das öffentliche Leben zum Stillstand. Von «Teil-Lockdown» kann nicht mehr die Rede sein. Auch in den USA nehmen die Infektionen wieder zu – bislang allerdings noch in geordneten Bahnen. Es ist aber wohl nur eine Frage der Zeit, ehe sich die Situation auch jenseits des Atlantiks wieder verschärft.

Wirtschaftlicher Schaden

Die Ausbreitung des Virus wird in den kommenden Monaten wirtschaftlichen Schaden hinterlassen. Dazu bedarf es keines zweiten Lockdowns. Die freiwillige Distanzierung reicht, um eine Volkswirtschaft in die Rezession zu stürzen. Der schwedische Sonderweg eines Lockdown-Verzichts mag positiv für das Selbstbestimmungsrecht des einzelnen Bürgers gewesen sein, bewahrte aber die Wirtschaft keineswegs vor einem Absturz. Das schwedische Bruttoinlandprodukt (BIP) gab im zweiten Quartal um 8.6% nach.

Ist die Infektionsgefahr hoch, bringt eine Laissez-faire-Politik im Umgang mit dem Corona-Virus also nicht die erhofften positiven ökonomischen Effekte. Das zeigt auch der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem jüngsten Ausblick für die Weltwirtschaft. Eine wirtschaftliche Erholung setzt voraus, dass in einem ersten Schritt den gesundheitlichen Risiken adäquat begegnet worden ist.

Zeitlich befristete Lockdowns, welche Infektionsketten durchbrechen, können für eine Volkswirtschaft also günstiger sein als ein lang anhaltend hohes Infektionsrisiko, das zu einem freiwilligen Konsumverzicht führt. Damit wird aber immer deutlicher: Die Lockerungen der vergangenen Monate gingen zu weit. Es wäre wirtschaftlich verträglicher gewesen, an restriktiveren Massnahmen festzuhalten.

Das Corona-Virus wird das wirtschaftliche Geschehen in den kommenden Monaten diktieren. Es sollten keine falschen Hoffnungen geweckt werden. Neue temporäre wirtschaftliche Rückschläge stehen bevor. Doch die Berechnungen des IWF machen auch Hoffnung. Je stringenter jetzt gehandelt wird, desto besser die Chancen für eine stabile wirtschaftliche Entwicklung in den Frühjahrsmonaten. Einmal mehr lautet das Motto: Augen zu und durch. Wichtig ist, dass alle gesellschaftlichen Kräfte ihr Bestes beitragen. Dann liegt auch wieder der Raki auf Kreta drin.

#Spotanalyse

Ersten Kommentar schreiben

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.