Expertenmeinung

US-Aufschwung ist der längste in der Geschichte

Lesedauer: 2 Min
Wer hätte das gedacht: Der Aufschwung in der US-Wirtschaft, der nach der Finanzkrise im Jahr 2009 begonnen hat, hält bis heute an. Seit Juni 2019 ist der aktuelle Konjunkturzyklus der längste in der Geschichte der USA. Bislang war es die Dekade zwischen 1991 und 2001.

Erstaunlich, denn nach dem Platzen der Kreditblase in den Herbstmonaten des Jahres 2008 wurde vielerorts schon das Ende aller Tage eingeläutet. Doch gerade die Schwere und die Tragweite der Finanzkrise legten die Grundlage für die Langlebigkeit des bis heute anhaltenden Zyklus.

 

Schieflage im Bankensektor verhindert Überhitzung

Der Grund für die verhältnismässig träge wirtschaftliche Erholung ist im Finanzsektor begründet. Das Platzen der Kreditblase im Jahr 2008 beschädigte die Bankbilanzen schwerwiegend. Die Kreditinstitute benötigten lange, um die Wunden zu heilen. In Europa sind die Narben in einzelnen Ländern bis heute sichtbar. Doch so merkwürdig es sich zunächst auch anhören mag: Die Schieflage im Kreditsektor stellte die Weichen für einen langen – wenn auch schleppenden – Aufschwung.

Die erst langsam in Fahrt gekommene Kreditvergabe steht dabei repräsentativ für eine schleppende Entwicklung vieler volkswirtschaftlicher Grössen. Vor allem auch die Teuerung unter Herausrechnung der volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise verlief in den Augen der Notenbanken über weite Strecken fast schon rätselhaft im Schneckentempo nicht nur in den USA, sondern weltweit.

 

US-Notenbank gibt sich konziliant

Der tiefere Blick in die US-Wirtschaftsgeschichte zeigt: Es war nicht selten die US-Notenbank Fed, die einen Konjunkturzyklus mit hohen Zinsen jäh beendete. Doch in Anbetracht der zähen Entwicklung von Krediten, Löhnen und Inflationsrate konnten und können sich die Währungshüter in Washington ungewöhnlich konziliant geben. Gerade die lediglich moderaten geldpolitischen Straffungen seit dem Jahr 2015 und die nun eingeleitete Pause bei Zinserhöhungen, oder auch etwaige baldige Zinssenkung, könnten grundsätzlich die Grundlage für einen länger anhaltenden Aufschwung legen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang etwa an Australien. Das Land hat seit 1992 keine Rezession mehr verzeichnet. In den USA mahnt allerdings die inverse Zinskurve zur Vorsicht. Das will heissen: Die kurzfristigen Zinsen liegen über den langfristigen. In der Vergangenheit war dies ein verlässlicher Indikator für eine baldige Rezession. Auch wenn wir derzeit in den USA keine Indikation für einen unmittelbaren Einbruch der Wirtschaft haben, sollte deshalb Vorsicht herrschen. Zunächst geht aber der Konjunkturzyklus in die Verlängerung.

 

---

Finanzmarktkommentar von
Dr. Thomas Gitzel
Chief Economist

#Investment Research