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EZB: Schwieriger Job für Nachfolgerin von Mario Draghi

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Zwar darf Mario Draghi noch bis Ende Oktober in seinem Büro im Frankfurter Hochhaus der Europäischen Zentralbank (EZB) bleiben, doch im geldpolitischen Rat konnte der Italiener heute schon seinen Ausstand feiern. Es war die letzte Zusammenkunft unter seiner Leitung.

Ein fröhliches Beisammensein war die heutige geldpolitische Sitzung aber nicht. Zu besorgniserregend sind die Meldungen aus der europäischen Wirtschaft. Wie erwartet behält Draghi aber zum Ende seiner Amtszeit eine ruhige Hand. Trotz aller negativen Konjunkturmeldungen gab es auf der letzten Pressenkonferenz Draghis den ein oder anderen Lacher. Heute blitzte der Mensch hinter dem Notenbanker durch.

Draghi musste einen betrüblichen Konjunkturausblick vortragen. Dabei würden die Wachstumsrisiken überwiegen, der Noch-Notenbankpräsident bezeichnete sie als «prominent». Die Inflationsentwicklung sei gedämpft. Die lockere Geldpolitik sei deshalb noch über einen längeren Zeitraum notwendig. Draghi appellierte nochmals an eine reformorientierte und wachstumsfördernde Fiskalpolitik. Reformen müssten intensiviert werden. Draghi konnte seine selbstgesteckten Ziele damit nicht erreichen. Die Erfolgsfeier fällt damit leider aus.

 

Lagarde übernimmt anspruchsvollen Job

Die Französin Christine Lagarde übernimmt am 1. November eine EZB in schwierigem Fahrwasser. Hält Lagarde an der Politik ihres Vorgängers fest, wird es wohl schon bald zu einer weiteren Zinssenkung kommen. Eine weitere Reduktion des Einlagesatzes um 10 Basispunkte könnte schon bald auf die Agenda kommen. Eine Inflationsrate von unter 1 % bei gleichzeitig akuter Rezessionsgefahr werden dies unabdingbar machen.

Lagarde wird wie bereits Draghi darauf verweisen, dass die EZB ein Mandat habe und danach handeln müsse. Doch leider werden weitere geldpolitische Lockerungen keine Besserung bringen. Die EZB ist am Ende der Fahnenstange angekommen. Draghi betonte es mehrfach: Ohne flankierende Massnahmen der Fiskalpolitik geht es nicht.

 

Arrivederci, Mario

Was noch zu sagen bleibt: Arrivederci, Mario. Die Ära des Italieners war eine der bedeutendsten seit Bestehen der EZB. Ohne Draghi gäbe es den Euro vermutlich nicht mehr. Sein mittlerweile berühmtes «Whatever it takes» ist jetzt schon fester Bestandteil der europäischen Wirtschaftsgeschichte. Er benutzte diese vieldeutigen Worte inmitten heftiger Turbulenzen um die europäischen Staatsfinanzen am 26. Juli 2012 auf einer Londoner Investorenkonferenz. Was in den Jahren danach passierte, wissen wir: Anleihen-Kaufprogramme und Negativzinsen prägten fortan die Geldpolitik.

Man kann darüber streiten, ob die Wiederauflage des Wertpapierkaufprogramms und eine weitere Senkung des Negativzinses die adäquate Reaktionen auf die momentane Wachstumsabkühlung sind. Doch Draghi betonte stets, dass die EZB ein Mandat habe. Nichtstun kam deshalb nicht in Frage. Die Politik legte zu gerne die Hände in den Schoss und überliess die Arbeit der EZB. Von breitflächigen Strukturreformen war nur im Einzelfall etwas zu sehen. Draghi stand über weite Strecken alleine im Regen. Das sollte bei vorgetragener Kritik berücksichtigt werden.

Eines steht fest: Mario Draghi war in der EZB-Historie der bislang prägendste Präsident. Gäbe es eine Hall of Fame der EZB, das Porträt von Draghi würde wohl einen zentralen Platz bekommen.

 

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Dr. Thomas Gitzel
Chief Economist, VP Bank Group     

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