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Europawahl: Der Neuigkeitsgehalt liegt auf Länderebene

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Die Europawahlen haben die Welt nicht auf den Kopf gestellt. Der Durchmarsch von rechtspopulistischen Parteien blieb Hochrechnungen zufolge aus – mit Ausnahme einzelner Länder.

In Frankreich setzt sich etwa Marine Le Pens rechte Partei Rassemblement National an die Spitze, in Italien Matteo Salvinis Lega. In Deutschland wiederum kommt die AfD laut vorläufigen Ergebnissen lediglich auf 11 %, die Grünen verbuchen mit erreichten 20.5 % der Stimmen kräftige Zugewinne. Die Ökopartei gehört damit auch auf europäischer Ebene zu den eigentlichen Siegern. Ihr Gewicht im EU-Parlament wächst deutlich. Mit Blick auf ganz Europa gilt: Die grossen Volksparteien, also Christdemokraten, Konservative und Sozial-demokraten, gehören zu den Verlierern. 

Im Europaparlament hat damit das Bündnis von EVP (Europäische Volkspartei) und Sozialdemokraten keine Mehrheit mehr. Die beiden Lager sind also auf neue Partnerschaften angewiesen. Ob der EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber tatsächlich EU-Kommissionspräsident wird, bleibt mit gewissen Frage-zeichen versehen.

Direkte Implikationen hat der Wahlausgang allerdings in einzelnen Ländern. So hat in Griechenland Ministerpräsident Alexis Tsipras vorgezogene Parlamentswahlen angekündigt. Seine Syriza erlitt deutliche Verluste. Somit könnte in Griechenland bereits im Juni, anstatt wie ursprünglich geplant im Oktober, ein Urnengang stattfinden. Fast schon eine Sensation ist das Ergebnis in Grossbritannien. Dabei zählt weniger das bereits im Vorfeld erwartete gute Abschneiden von Nigel Farage mit seiner Brexit-Partei, sondern dass die Konservativen gerade einmal noch auf knapp 9 % kommen. Den Tories fehlt damit jegliche Legitimation zum Weiterregieren. Neuwahlen erscheinen nach dem Wahlergebnis von Nöten zu sein.

Die Europawahlen haben keine direkten Implikationen für die Finanzmärkte. Allerdings lässt sich aus dem Wahlergebnis in einzelnen Ländern ablesen, dass es in den kommenden Monaten unter Umständen ungemütlich werden könnte. Neuwahlen in Griechenland versprechen Unsicherheit. Auch in Italien könnte sich Matteo Salvini in seinem Kurs bestätigt fühlen und erneut auf Konfrontationskurs mit der EU gehen. Sprengstoff bleiben dabei die italienischen Haushaltsplanungen. Auch in Deutschland werden CDU und SPD stärker an ihrem Profil feilen müssen. Streit in der grossen Koalition scheint programmiert zu sein. Wer auf eine baldige Stärke des Euro gegenüber dem USD setzt, dürfte vermutlich auf dem falschen Fuss erwischt werden. Der US-Dollar wird vorerst gut unterstützt bleiben.

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Dr. Thomas Gitzel
Chief Economist, VP Bank Group       

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