Unsere Sicht im September
China und Europa landen auf dem harten Boden der Realität, während sich die Wirtschaft in den USA weiterhin der Schwerkraft entzieht. Das zeigt sich nicht nur bei der Konjunktur, sondern auch an den Aktienmärkten.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sah sich gemüssigt, eine nationale Kraftanstrengung auszurufen, einen «Deutschland-Pakt», um das Land zu modernisieren und um der Wirtschaftsschwäche entgegenzuwirken. Denn wohin man blickt, herrscht schlechte Konjunkturstimmung. Dazu kommen noch die Flaute im Bau und fallende Immobilienpreise. Nicht viel anders das Bild in China, vielleicht mit einer Ausnahme: Die chinesischen Autobauer scheinen in Sachen Elektroautos der Konkurrenz, unter anderem aus Deutschland, den Rang abzulaufen.
Ganz anders zeigt sich die Lage in den USA. Gemäss Schätzung der Atlanta Fed steuert die Wirtschaft im dritten Quartal auf ein annualisiertes Wachstum von 6 % zu. Die Rezession lässt also weiter auf sich warten. Und sie verliert damit aus Marktsicht langsam, aber sicher ihren Schrecken. Das zumindest suggeriert der US-Aktienmarkt, der sich in den letzten Monaten deutlich besser entwickelt hat als seine Pendants in Europa und in China.
Verschiedene Welten also. Aber nicht zwingend unabhängig voneinander. Sicher, die Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft ist gut für den Rest der Welt. Dem tragen wir Rechnung, indem wir das Untergewicht bei Aktien etwas verringern.
Allerdings werden sich die USA nicht auf Dauer vom Rest der Welt abkoppeln können. Zudem haben die zuletzt wieder gestiegenen Renditen im US-Dollar gezeigt, dass gute oder bessere Konjunkturnachrichten nicht zwangsläufig gut für die Märkte sein müssen. Deshalb bleiben wir insgesamt vorsichtig positioniert.
- Zentralbanken dürften nur noch vereinzelt die Zinsen anheben
- Konjunkturrisiken haben etwas abgenommen
- Marktbreite ist gestiegen
- Hohe Bewertungen bei US-Technologietiteln
- Inflation immer noch über den Zielwerten der Fed und der EZB
- Konjunkturschwäche in Europa und in China
Weniger Dynamik im US-Arbeitsmarkt
Erste Risse am US-Arbeitsmarkt sind nun erkennbar. Die US-Konsumenten geben in monatlichen Umfragen an, dass nicht mehr ganz so viele Jobs verfügbar sind, wie noch vor einigen Monaten. Dazu passt auch die rückläufige Zahl offener Stellen. Tauchen erst einmal Risse am Arbeitsmarkt auf, verdüstert sich in das konjunkturelle Bild in den Folgequartalen. Dies offenbart der Blick in die Geschichte. Somit bleiben wir bei unserem US-Rezessionsszenario, auch wenn die amerikanische Wirtschaft im laufenden Quartal wohl sogar kräftig wachsen dürfte. Derweil schwächelt die Eurozone. Vor allem die Bauwirtschaft kam und kommt weiterhin unter die Räder. Da es sich um eine Branche handelt, von der erhebliche Multiplikatoreffekte - im positiven wie im negativen Sinne - ausgehen, dürfte der Euroraum auch in der zweiten Jahreshälfte unter Druck bleiben.
- In den USA verschiebt sich die Rezession weiter nach hinten
- Im dritten Quartal dürfte in den USA ein kräftiges Wachstum resultieren
- Eurozone bleibt angeschlagen
- Das weltwirtschaftliche Umfeld ist schwierig
- Vorlaufindikatoren deuten auf Schwäche im Dienstleistungssektor hin
EZB-Zinspolitik bleibt spannend
Während die Fed am Zinshoch angelangt ist, bleibt die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Fragezeichen versehen. In Frankreich ist beispielsweise die Teuerungsrate im August merklich gestiegen. Die harmonisierte Inflationsrate erhöhte sich von 5.1% auf 5.7%. Auch in Spanien beschleunigte sich die Inflation wieder. In Deutschland fiel der Inflationsrückgang im gleichen Zeitraum nur minimal aus. Gleichzeitig ist die Wirtschaft des Euro-Währungsraums angeschlagen, weshalb viele Ökonomen schliessen, dass auch die EZB am Zinshoch angelangt ist. Die Zentralbank hat allerdings mit der Inflationsbekämpfung ein klares Mandat. Deshalb gibt es keine Alternative zu einer Zinserhöhung im September. Es sollte auch bedacht werden, dass die Inflationsraten noch weit über dem Leitzins liegen. Damit sind die europäischen Währungshüter also keineswegs restriktiv und es sollte im September eine Zinsanhebung auf der Agenda stehen.
- Die Fed hat den Zinsgipfel erreicht
- Die SNB stösst dank niedriger Inflationsrate in den Bereich positiver Realzinsen vor
- Die EZB steckt wegen der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung im Dilemma
- Die restriktive Geldpolitik erhöht das Potenzial für Finanzmarktstress
Höhere Zinsen für längere Zeit?
Langlaufende US-Renditen stiegen auf ein neues Hoch im aktuellen Fed-Zinserhöhungszyklus. Seit Mitte Juli stand damit ein kurzzeitiger Renditeanstieg um knapp 60 Basispunkte zu Buche. Häufig wurde als Begründung angeführt, dass die Aussicht auf eine länger anhaltende Phase mit höheren Leitzinsen die Renditen nach oben getrieben habe («higher for longer»). Allerdings haben sich in den vergangenen Wochen die Zinserwartungen nicht so deutlich nach hinten verschoben als dies einen Renditeanstieg um 60 Basispunkte rechtfertigen würde. Aus unserer Sicht dient die US-Wirtschaft, die sich als robuster als bislang erwartet hält, viel besser als Begründung. Die Rezessionsrisiken verschieben sich weiter nach hinten, was wiederum kurzzeitige Inflationsgefahren erhöht. Da wir jedoch nach wie vor von einer Rezession ausgehen, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, ehe die Zinsen am langen Ende der Zinskurve merklich fallen.
- Solange Rezessionsgefahr herrscht, werden die Renditen am langen Ende der Zinskurve nicht signifikant steigen
- Rekordhohe Terminverkäufe von US-Treasuries werten wir als Kontraindikator, der für fallende Renditen spricht
- Die Inflationsraten bleiben in der Eurozone weit über der EZB-Zielvorgabe und könnte zu einem anhaltenden Straffungskurs zwingen
- Bonitätsverschlechterungen können bei Anlegern in den Vordergrund rücken
Nach der sanften Landung eine harte?
Unternehmensanleihen haben seit Jahresbeginn leicht besser abgeschnitten als Staatsanleihen. In USD liegt die Performance bei +1.7%, bei Staatsanleihen –0.2%. Auch in Europa beträgt der Vorsprung bei der Performance rund 2 %. Grund sind die zuletzt gestiegenen risikofreien Renditen bei gleichzeitig leicht rückläufigen Kreditaufschlägen. Dies ist untypisch für einen Zinserhöhungszyklus. Eigentlich führt eine aggressive Zinspolitik zu einer Rezession, was fallende risikofreie Zinsen und steigende Spreads bedeutet. Wir sehen dieses Szenario immer noch als gegeben. Aktuell rentieren einjährige Treasury Bills mit 5.4%, die Unternehmensanleihen mit einer durchschnittlichen Duration von sieben Jahren mit 5.75%. Selbst wenn sich das Soft-Landing-Szenario länger hält, ist die Risikoentschädigung äusserst gering. Sollte also nach der sanften Landung doch noch eine harte folgen, drohen zweistellige Verluste. Wir bevorzugen daher Staatsanleihen.
- US Konjunktur trotz aller Warnsignale noch ziemlich robust
- Unternehmen haben sich in der Tiefzinsphase günstig finanziert und spüren steigende Zinskosten erst verzögert
- Höchste Realrenditen seit 15 Jahren
- Äussert bescheidene Risikoentschädigung
- Konjunkturrisiken noch nicht vom Tisch
- Inflation dürfte aufgrund von Basiseffekten in den nächsten Monaten steigen
- Weitere Zinserhöhungen könnten das Fass zum Überlaufen bringen
Raue See für Aktien weltweit
Während die Aktienmärkte im Zeichen der Ergebnis-Berichterstattung hätten stehen müssen, rückte die Entwicklung der Zinsen im August wieder in den Vordergrund. Die schwächelnde Wirtschaft in China und Europa hinterliess Spuren, sodass zwar im Schnitt die sehr tiefen Gewinnerwartungen übertroffen wurden, andrerseits aber einige Unternehmen negativ auffielen. Sie spüren vermehrt die Zurückhaltung der Konsumenten. Jedoch war der heftige Zinsanstieg im August der Hauptgrund für rückläufige Aktienindizes. Einige wirtschaftliche Indikatoren und Kommentare von Zentralbankern haben zu zeitweise signifikant höhere Renditen geführt. Jedoch standen gegen Ende des Monats August die Anzeichen wieder vermehrt auf Rezession, was Zinssenkungsphantasien auslöste. Eine Rezession würde zwar zu fallenden Kursen führen. Wenn sie aber erst im kommenden Jahr käme, könnte dies zu einer Jahresend-Rally führen.
- Ende der Zinsanhebungen rückt näher oder wurde womöglich bereits erreicht
- Bessere Halbjahresergebnisse als erwartet
- Aktien signalisieren keine Rezession, obwohl Vorlaufindikatoren darauf hindeuten
- Chinas maue Wirtschaft wirkt sich auf europäische Titel aus
- Das Ende des Zinszyklus könnte vorweg-genommen worden sein
Zinsen spielen wieder eine Rolle
Während auch in anderen Regionen der Welt die Märkte auf höhere Zinsen reagiert haben, war die Bewegung in den USA sehr scharf. Dies dürfte vor allem daran liegen, dass der Grossteil der Performance im laufenden Jahr mit ein paar wenigen zinssensitiven Technologietiteln sowie gestiegenen Bewertungen zu erklären ist. Gerade die schwächeren Arbeitsmarktdaten dürften die Hoffnung auf ein Ende der Zinserhöhungen nähren, obwohl diese nur ein weiteres Indiz für eine mögliche Rezession sind. Märkte könnten daher zunächst wieder steigen. Denn technische Indikatoren befinden sich aktuell im sprichwörtlichen Niemandsland und lassen die Chancen auf Kursgewinne offen. Jedoch ist die Entwicklung mit Vorsicht zu betrachten, da neben dem schwächeren Dienstleistungs-PMI auch die Kommentare von Konsumunternehmen auf eine schwache Konsumentwicklung hindeuten. Dies könnte zu einer Rezession und zu einer Korrektur führen.
- Zunehmender Optimismus für Ergebnisse des dritten Quartals
- Ende der Zinserhöhungen könnten sich positiv auswirken
- Nun kommen auch Service PMIs zurück
- Trotz höherer Zinsen sind Bewertungen über dem Durchschnitt der letzten 5 und 10 Jahre
- Unattraktive erwartete Ertragsrendite gegenüber risikoärmeren Anleihen
Neue Risiken am Energiemarkt
Der Winter steht wieder vor der Tür. Noch vor einem Jahr war die Sorge gross, dass eine Energiekrise in Europa unvermeidbar sei. Heute scheint die Lage zumindest auf dem Papier entspannt zu sein, denn die Lager haben bereits jetzt die Höchststände aus dem letzten Jahr erreicht. Doch der Schein trügt, denn die Risikolandschaft hat sich deutlich verändert, wie am Beispiel der drohenden Streiks an Flüssiggasanlagen in Australien klar wurde. Da Europa die verlorenen Volumen aus Russland mit Importen von Flüssiggas (LNG) ausglich, ist Kapazitätsflexibilität verloren gegangen und der Konkurrenzkampf hat zugenommen. Kontrovers ist zudem, dass nach wie vor 15 % der Gasimporte der EU aus Russland stammen. Dies wirft die Frage auf, ob die EU dies ändern will. Für die Energiepreise bedeutet dies, dass bereits kleine Verwerfungen auf der Angebots- oder Nachfrageseite zu stärkeren Preisturbulenzen führen können (for more see here).
- Erhöhte Flüssiggasimporte verringern Flexibilität Europas
- Russland ist immer noch für 15 % der Gasimporte verantwortlich
- Längere Kälteperiode könnte Nachfrage erhöhen
- Europas Gaslager sind gut gefüllt
- Schwächerer Wirtschaftsverlauf würde die Nachfrage reduzieren
- Kohle und Ölprodukte könnten Teil der drohenden Angebotsknappheit auffangen
Euro-Aufwertungen kommen zum Erliegen
Beim Währungspaar EUR/USD gab es zuletzt keine signifikanten Bewegungen. Im Moment scheint bei Wechselkursniveaus zwischen 1.08 und 1.09 eine gewisse Komfortzone erreicht worden zu sein. Dies vor allem auch deshalb, weil die EZB-Zinspolitik mit einigen Fragezeichen versehen ist. Sollten die europäischen Währungshüter signalisieren, dass das Zinshoch erreicht ist, wäre das Aufwertungspotenzial des Euro auf Sicht der kommenden Monate vermutlich begrenzt. Dem Euro würde es damit an Kaufargumenten fehlen, zumal sich die Wirtschaft im Vergleich zu den USA deutlich schlechter schlägt. Der Franken bleibt derweil fest, auch unterstützt von Devisenmarktinterventionen der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Letztere reduzierte ihre Devisenbestände in den vergangenen Quartalen um knapp 300 Mrd. CHF.
- Der Franken bleibt auch dank Devisenmarktintervention der SNB gut unterstützt
- Das britische Pfund profitiert von höheren Leitzinsen und der schrumpfenden Zinsdifferenz gegenüber dem Fed
- Wegen des unklaren Zinspfads der EZB kam es zu keinen weiteren Euro-Aufwertung
- Die türkische Lira verharrt im Bann der Politik
Dr. Felix Brill, Dr. Thomas Gitzel, Dominik Pross, Bernhard Allgäuer, Jérôme Mäser
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