Unsere Sicht

Unsere Sicht im Juni

Risse in der Fassade.

13. Juni 2023
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Die Eurozone befindet sich schon in der Rezession, die USA wird folgen. Die Finanzmärkte träumen weiterhin von einer weichen Landung. Wir nicht. Wir setzen unverändert auf Anleihen und sind vorsichtig bei Aktien.

So schnell kann es gehen. Da waren die meisten Ökonomen mit dem Ausblick fürs zweite Halbjahr beschäftigt und somit mit der Frage, ob und wann die Rezession kommt. Und dann zeigen die Daten auf einmal: Die Eurozone steckt bereits in einer Rezession, zumindest nach Lesart der Finanzmärkte. Zwei Quartale mit rückläufigem Bruttoinlandprodukt in Folge gelten da als Rezession.

Das hat die Aktienmärkte aber bislang nicht gekümmert. Dort dominiert derzeit mal wieder der Optimismus. Oder man könnte auch sagen: das Prinzip Hoffnung. Alles halb so wild, so scheint die Überlegung, die Inflation sinkt ja, der Arbeitsmarkt ist robust, die Unternehmen können bald wieder mehr Gewinne erwirtschaften. Die Rezession in der Eurozone wäre deshalb nur von technischer Natur, dasselbe würde für die USA gelten, sofern sie denn dort auch eintritt. Die konjunkturelle Landung wird weich sein.

Wir setzen nicht auf das Prinzip Hoffnung. Aus unserer Sicht wird die Landung eher hart ausfallen, die Konjunktur spürbar unter Druck geraten. Wir haben alle Zutaten: Eine sich verschärfende Kreditklemme, Zurückhaltung der Unternehmen bei den Investitionen und schlechtere Aussichten für den Privatkonsum. Denn zuletzt haben sich auch erste Risse in der bisher glänzenden Fassade des Arbeitsmarkts in den USA gezeigt.

Kommt hinzu: Die Zentralbanken werden der Konjunktur dieses Mal nicht wieder so schnell und so kräftig unter die Arme greifen können oder wollen. Denn das Thema Inflation ist trotz kurzfristig fallender Teuerungsraten noch nicht verdaut. Mehr dazu gibt es in der neuen Ausgabe unseres Investmentmagazins Teleskop (erscheint am 19. Juni).

Geldmarkt
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Anleihen
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Staatsanleihen
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Unternehmensanleihen
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USD-Anleihen
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Schwellenländeranleihen
●●●●○
Aktien
●○○○○
Aktien Schweiz
●●○○○
Aktien Europa
●●○○○
Aktien USA
●●○○○
Aktien Japan
●●●○○
Aktien Schwellenländer
●●●○○
Aktien Welt und Themen
●●●○○
Alternative Anlagen
●●●○○
Hedge Funds
●●●○○
Insurance-linked Securities
●●●○○
Wandelanleihen
●●●○○
Gold
●●●○○
●●●●● stark übergewichtet; ●●●○○ neutral; ●○○○○ stark untergewichtet
(Basis: Mandat CHF ausgewogen)
Unsere Sicht aufs Portfolio
  • Inflationsraten sinken in den USA und in der Eurozone, das ist gut für Staatsanleihen
  • Japanische Aktien sind bewertungsmässig attraktiver als ihre US-Pendants
  • Auf Zukunftstrends setzen statt nur auf die Schwergewichte im US-Aktienmarkt
  • Dem US-Aktienmarkt fehlt die Marktbreite
  • Kreditrisikoaufschläge zu tief für das Szenario einer harten Landung der US-Wirtschaft
Unsere Sicht auf die Konjunktur

Der Schein trügt

Der globale Datenreigen zeugt von Schwäche. Selbst die herbeigesehnte wirtschaftliche Erholung Chinas nach dem Ende der Corona-Beschränkungen fällt deutlich geringer aus als von einer Vielzahl von Volkswirten erwartet. Vor allem die Industrieproduktion erweist sich als fast schon erschreckend schwach. Aber auch in Europa und in den USA konnten zuletzt die Daten nicht überzeugen. Positiv zu werten sind hingegen die weiter gefallenen Energiepreise, insbesondere diejenigen für Gas. Dies entlastet Unternehmen und private Haushalte. Wir bleiben jedoch skeptisch und erwarten weiterhin eine merkliche wirtschaftliche Abkühlung. Denn die hohen Inflationsraten und die gestiegenen Zinsen werden ihre vollen negativen Konsequenzen erst noch zeigen. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, ehe nach Europa das Wachstum des Bruttoinlandprodukts auch in den USA in den Rückwärtsgang geht.

  • Der Umsatz im Dienstleistungssektor normalisiert sich
  • Fallende Energiepreise helfen der Konjunktur
  • Die USA dürften später im Jahr in eine Rezession rutschen als Folge der Geldpolitik
  • Das weltwirtschaftliche Umfeld bleibt schwierig
Unsere Sicht auf die Geldpolitik

«Datenabhängig» lautet Stichwort für Notenbanken

Den grossen Notenbanken ist eines gemeinsam: Ein klares Bekenntnis zu weiteren Zinserhöhungen gibt es nicht mehr. Am ehesten zeigen sich noch die Europäische Zentralbank (EZB) und die Schweizerische Nationalbank (SNB) bereit, weiter an der Zinsschraube zu drehen, wenn nötig auch deutlich. Doch selbst die Vertreter der EZB schwächten ihre Wortwahl ab. Das Stichwort, welches alle grossen Zentralbanken eint, lautet "datenabhängig". Die Währungshüter sind also nicht mehr mit dem Autopiloten unterwegs, sondern werden von Sitzung zu Sitzung entscheiden, ob eine weitere Straffung notwendig ist. Die US Federal Reserve (Fed) dürfte aus unserer Sicht ihren Job erledigt haben. Sie hat kräftig vorgelegt und kann nun pausieren. Doch selbst hier gibt es aus den Reihen der Fed kein klares Signal. In Washington möchte man die Märkte nicht in Sicherheit wiegen, dies könnte am langen Ende der Zinskurve ansonsten zu einem – in den Augen der Fed – zu tiefen Zinsniveau führen.

  • Die Fed wird keine weiteren Zinserhöhungen vornehmen
  • Die SNB kann aufgrund der niedrigen Inflationsrate in den Bereich positiver Realzinsen vorstossen
  • Hohe Kerninflationsrate zwingt EZB zu weiteren Zinserhöhungen
  • Restriktive Geldpolitik erhöht das Potenzial für Finanzmarktstress
Unsere Sicht auf Staatsanleihen
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neutral

Nicht auf dem falschen Fuss erwischen lassen

Am langen Ende der Zinskurven ist es ruhig. Sowohl in Europa als auch in den USA kam es in den 10-jährigen Laufzeiten zu keinen nennenswerten Bewegungen. An den Finanzmärkten ist man unschlüssig, in welche Richtung es gehen soll. Einerseits sind Sorgen über eine Rezession vorhanden, andererseits gibt die US-Notenbank kein klares Signal, ob es das jetzt war mit den Zinserhöhungen. Das Kalkül der Marktteilnehmer ist klar: Man will sich nicht auf dem falschen Fuss erwischen lassen und hält deshalb still. Unser Szenario steht: Kommt die Rezession, werden die Renditen weiter fallen. Dazu passen auch die rekordhohen Terminverkäufe von US-Staatsanleihen, was als Kontraindikator gilt. Fallen die Renditen am langen Ende der Zinskurve weiter, müssen diese Positionen rückabgewickelt werden, was Käufe von Treasuries nach sich ziehen würde. Wir bleiben in Staatsanleihen USA und Europa übergewichtet, in der Schweiz sind wir weiterhin neutral positioniert.

  • Solange Rezessionssorgen herrschen, werden Renditen am langen Ende der Zinskurve nicht signifikant steigen
  • Rekordhohe Terminverkäufe von US-Treasuries ist ein Kontraindikator, der für fallende Renditen spricht
  • Inflation in der Eurozone bleibt weit über Ziel, was die EZB zu einem länger anhaltenden Straffungskurs zwingen könnte
  • Fed könnte wegen guter Zahlen vom Arbeitsmarkt mehr Zinserhöhungen vornehmen
Unsere Sicht auf Unternehmensanleihen
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neutral

Sicherheit geht vor

Nach der Einigung bei der Schuldenobergrenze kam es zu einer Entspannung bei den Kreditaufschlägen. Die Renditen von Staatsanleihen sind jedoch gestiegen. Es wird erwartet, dass bis September 700 Mrd. USD Staatsanleihen emittiert werden, bis Ende Jahr sogar 1'600 Mrd., um das Konto des Finanzamts aufzufüllen. Dieser Entzug von Liquidät belastet grundsätzlich alle risikobehafteten Anlagen wie Aktien oder Anleihen mit Kreditaufschlägen. Es sei denn, die Notenbank neutralisiert diese Geschäfte, wonach es derzeit aber nicht aussieht. Erste Risse sind im US-Arbeitsmarkt bemerkbar. Insgesamt bestätigen immer mehr Indikatoren, dass wir in den USA am Rande einer Rezession stehen, während sie in der Eurozone bereits offiziell ist. Aufgrund unseres Szenarios einer harten Landung meiden wir Kreditrisken wie High Yield oder tiefere Investment Grade Qualitäten und bevorzugen Staatsanleihen.

  • Konjunkturmotor läuft besser als erwartet
  • Rückläufige Inflationsraten
  • Zinserhöhungen in den USA dürften zu Ende sein
  • US-Bankenkrise führt zu drohender Kreditklemme (vgl. hier)
  • Unser Szenario einer harten Landung gewinnt weiter an Wahrscheinlichkeit
  • Sicherheit ist gefragt, Staatsanleihen bevorzugen
Unsere Sicht auf Aktien
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stark untergewichtet

Ein divergierendes Bild auf mehreren Ebenen

Global zeichnet sich ein unterschiedliches Bild ab. Während sich in den USA und in Japan die Aktienmärkte im vergangenen Monat positiv entwickelt haben, waren sie in Europa und China schwach. Nach besser als befürchteten Quartalsabschlüssen und der Lösung im Streit um die US-Schuldenobergrenze stehen wieder die Geldpolitik sowie makroökonomische Daten im Vordergrund. Gerade die schwache wirtschaftliche Entwicklung in China deutet auf eine sinkende Nachfrage aus dem Westen hin, insbesondere von europäischen Unternehmen. So fallen die Auftragseingänge überall weiter, was künftige Umsätze und Gewinne schmälern dürfte. Dies spiegelt sich aber noch kaum in den Schätzungen der Analysten, die teilweise ihre Prognosen für das zweite Halbjahr angehoben haben. Damit ist das Potenzial für Enttäuschungen, gerade bei einer negativen konjunkturellen Entwicklung, gestiegen, auch weil gleichzeitig die Bewertungen weiter zugelegt haben.

  • Investoren stehen zum Teil an der Seitenlinie, was Potenzial für eine weitere Kurserholung bietet
  • Ende der Zinserhöhungen rückt näher
  • Wirtschaft schwächt sich weiter ab, was Aktienkurse noch nicht zeigen
  • Ambitionierte Gewinnerwartungen sorgen für Enttäuschungspotenzial
  • Bewertungen haben trotz schwieriger Wirtschaftsaussichten wieder angezogen
Unsere Sicht auf Aktien USA
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untergewichtet

Investoren setzen auf Prinzip Hoffnung

Der US-amerikanische Aktienmarkt sorgt weiterhin für Aufsehen. Der S&P-500-Index ist wieder in Bullenmarkt-Territorium. Jedoch ist bei genauerer Betrachtung die Jahresperformance einzig wenigen grossen Technologietiteln, besonders jenen mit Bezug zu Künstlicher Intelligenz, sowie einer Bewertungsexpansion zu verdanken. Nebenwerte hingegen blieben klar zurück. Die geringe Marktbreite kann ein Risiko für den Gesamtmarkt darstellen. Zudem wird aktuell die Gefahr einer Rezession ignoriert, obwohl immer mehr Indikatoren darauf hindeuten. So haben sich die Aufträge schwächer entwickelt als erwartet und die Einkaufsmanagerindizes (PMI) für die Auftragsbücher in den USA sowohl im produzierenden als auch dem nichtproduzierenden Gewerbe stehen nun auf dem Niveau einer Rezession. Und es droht ein Liquiditätsentzug, da das US-Finanzministerium nach dem Schuldenstreit innert Monaten die Kassen wieder auffüllen muss.

  • In den USA zeichnet sich das Ende der Zinserhöhungen ab
  • S&P 500 verlässt den Bärenmarkt
  • Geringe Marktbreite stellt eine Gefahr für die Indexentwicklung dar
  • Aufträge und Auftragsbücher bewegen sich auf Rezessionsniveau
  • Bewertungen spiegeln das sich eintrübende Wirtschaftsumfeld nicht
Unsere Sicht auf Insurance-linked Securities
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neutral

Bestes Umfeld seit es Cat-Bonds gibt

Das erste Quartal 2023 brachte die beste Performance seit 2002. Hintergrund ist der massive Prämienanstieg. Aktuell liegt die Rendite vor Schäden bei über 15 %, modelliert sind Schäden von 2.5 %. Für die aktuelle Hurrikan-Saison (1. Juni – 30. November)  treffen derzeit die ersten Prognosen ein. Sämtliche Modelle deuten auf ein "El-Niño"-Jahr hin, bei welchen weniger Hurrikans zu erwarten sind. Allerdings sind Prognosen in dieser frühen Phase mit Vorsicht zu geniessen. Letztlich ist entscheidend, wie viele Hurrikans auch auf Land treffen und ob sie dort versicherte Infrastruktur zerstören. Ein weiteres Plus sind die Gesetzesänderungen in Florida zugunsten von Versicherungen und Cat-Bonds. Es wird geschätzt, dass vergangene Schäden damit um 20 % bis 40 % geringer ausgefallen wären. Die Anlageklasse bietet damit wohl die beste Ausgangslage seit ihrem Bestehen.

  • Anlageklasse war noch nie so attraktiv 
  • Erste Indikationen deuten auf eine unterdurchschnittliche Sturmaktivität 2023
  • Gesetzesänderung in Florida zugunsten von Versicherungen / Cat-Bonds
  • Nur schon ein einziger Sturm, der am falschen Ort an Land (engl. Landfall) geht, kann zu enormen Schäden führen
Unsere Sicht auf Währungen

Franken: Unterstützung durch die SNB

Der Franken blieb fest, obwohl der Euro gegenüber dem Dollar über die vergangenen Quartale hinweg tendenziell zulegen konnte. Wir gingen bislang davon aus, dass der Franken gegenüber dem Euro zumindest etwas an Wert verlieren würde. Doch er erhält Unterstützung durch die Schweizerische Nationalbank (SNB). Sie interveniert an den Devisenmärkten und baut ihre Fremdwährungsbestände ab. Dies zeigt der Blick auf die entsprechenden Statistiken. Sowohl die Devisenreserven als auch die Sichteinlagen der Geschäftsbanken bei der SNB haben sich deutlich reduziert. Wir müssen damit anerkennen, dass es wohl vorerst zu keiner Schwäche des Frankens kommen kann, einfach weil die SNB dies verhindert. Wir passen deshalb unser Kursziel an (EUR/CHF 0.96 bis 1.02) und erwarten innerhalb dieser Bandbreite eine Seitwärtsbewegung des Frankens gegenüber dem Euro.

  • EUR hat weiter Überraschungspotenzial
  • GBP profitiert jüngst von den höheren Leitzinsen und der schmelzenden Zinsdifferenz gegenüber dem USD
  • Schwellenländerwährungen haben wegen Inflationsrisiken nur begrenztes Aufwertungspotenzial
  • Türkische Lira weiterhin im Bann der Politik