Unsere Sicht im November
In der Not scheint es nicht so wichtig, warum die Schmerzen nachlassen. Hauptsache, sie lassen nach. Die letzten Wochen haben einmal mehr gezeigt, wie dankbar die Finanzmärkte auf Schmerzmittel reagieren. Nur lässt die Wirkung mit der Zeit nach.
Es tut weh, wenn die Zinsen steigen. Richtig schmerzhaft wurde es, als die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen der USA im Oktober bis auf 5 % kletterten. Doch dann griffen die Fed und das US-Finanzministerium in den Arzneimittelschrank und holten die Schmerzmittel heraus.
Die US-Notenbank ihrerseits hat die Leitzinsen nicht angerührt und den Märkten die Botschaft vermittelt, dass alles unter Kontrolle sei. Klar, weitere Zinserhöhungen könne sie nicht ausschliessen, aber solange sich die Konjunktur geordnet abkühle und die Inflation nicht wieder angefacht werde, war es das wohl mit den Leitzinserhöhungen in diesem Zyklus. So lasen es jedenfalls die Märkte.
Das Treasury seinerseits hat darüber informiert, welche Anleihen es im ersten Quartal auflegen wird, um den Finanzierungsbedarf zu decken. Schmerzstillend wirkte bei dieser Kommunikation, dass rund 60 % des Bedarfs über kurzlaufende Anleihen abgedeckt werden soll. Normalerweise sind es nur 15 bis 20 %. Ein so ein hoher Anteil wie jetzt wurde bisher nur in Krisenzeiten verzeichnet. Der Grund für die Abweichung von der Regel: Es gibt zu wenig Nachfrage nach Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten. Das Treasury wollte also nicht riskieren, dass die Zinsen am langen Ende weiter steigen.
Die Märkte haben das dankbar aufgenommen. Und kurzfristig wirkt das Schmerzmittel. Nur die Ursachen für die Schmerzen wurden nicht behandelt. Von der Konjunktur droht nämlich weiterhin Ungemach. Wir behalten deshalb unsere defensive Portfolioausrichtung bei, also Anleihen übergewichten und Aktien untergewichten.
- Die grossen Zentralbanken haben ihren Zinserhöhungszyklus wohl abgeschlossen
- Technische Faktoren könnten Aktienmärkte bis zum Jahresende unterstützen
- Rekordwerte bei Versicherungsprämien nützen Insurance-linked Securitites
- Geringe Schmerztoleranz der Märkte gegenüber steigenden Kapitalmarktzinsen
- Stärkere Abkühlung der US-Wirtschaft immer noch wahrscheinlich
- Aktienanalysten mit sehr optimistischen Gewinnerwartungen für 2024
Ab jetzt eher runter
Die Inflationsrate für die Eurozone ging im Oktober von 4.3 % auf 2.9 % deutlich zurück und somit auch stärker als erwartet. Im Vorjahresmonat kletterten die Energiepreise nach oben, sodass es zu einem entsprechend grösseren Basiseffekt kam. Zwar tragen die Lebensmittelpreise immer noch massgeblich zur Inflation bei, doch weniger stark als noch vor einigen Monaten. Letztlich nimmt der Preisdruck breitflächig ab. Auch in den USA dürfte der Preisauftrieb auf Sicht der kommenden Monate weiter an Geschwindigkeit verlieren. Dies gilt besonders für die Kerninflationsrate. Die Notenbanken haben angesichts der drastischen Zinserhöhungen und der fallenden Inflationsraten keinen weiteren Handlungsbedarf mehr. Das Zinshoch dürfte in diesem Zinszyklus vorläufig erreicht worden sein. Die nächsten Zinsschritte gehen nach unten, nicht nach oben – doch dies ist etwas für das kommende Jahr.
- Die Fed hat den Gipfel im laufenden Zinszyklus erreicht
- Die SNB hat vermutlich ihr Leitzinshoch erreicht
- Die EZB steckt wegen der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung im Dilemma
- Die restriktive Geldpolitik erhöht das Potenzial für Finanzmarktstress
Robustes Wachstum in den USA
Im dritten Quartal hat das Wachstum der US-Wirtschaft das vieler anderer Volkswirtschaften ausgestochen. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) wuchs im dritten Quartal um 1.2 % gegenüber dem Vorquartal. Der Geldbeutel der Konsumenten sass zuletzt noch ziemlich locker. Zudem wird der private Konsum von Sondereffekten getragen. Der Hype um die Tourneen der Sängerinnen Taylor Swift und Beyoncé sowie um die zwei Hollywood-Gassenfeger «Barbenheimer» (Barbie und Oppenheimer) haben der Wirtschaft kräftig Auftrieb verliehen. Dass sich das starke Wachstum im vierten Quartal wiederholt, ist unwahrscheinlich - es wird sich abkühlen. In der Eurozone ging es bereits in den Rückwärtsgang. Die Wirtschaft des gemeinsamen Währungsraums schrumpfte im dritten Quartal um 0.1 %. Das rückläufige BIP dürfte der Auftakt zu einer technischen Rezession sein, denn im vierten Quartal besteht kaum Hoffnung auf Besserung.
- Aus der Industrie kamen zuletzt Signale einer Stabilisierung auf tiefem Niveau
- In den USA verzögert sich die Rezession
- Die Eurozone ist konjunkturell angeschlagen, jetzt kommen auch die südeuropäischen Länder unter Druck
- Das weltwirtschaftliche Umfeld ist unvermindert schwierig
Renditen: Nur kurzer Ausflug nach oben
Die Renditeentwicklung hatte in den vergangenen Wochen einen prominenten Stellenwert. In den USA bewegte sich die vielbeachtete Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen über die Marke von 5 %. Da die Kapitalmarktzinsen in diesem Laufzeitenbereich auch die Richtschnur für langlaufende Kredite sind, haben sich die Finanzierungsbedingungen verschärft. Darauf verwies auch die US-Notenbank Fed an ihrer jüngsten Sitzung mehrfach. Nach dem Anstieg ging es aber abrupt in die andere Richtung. Dazu beigetragen haben ein Arbeitsmarktbericht, der schwächer ausfiel als erwartet, schwächere Konjunkturvorlaufindikatoren und eine zurückhaltende Notenbank. Die von uns erwartete wirtschaftliche Abkühlung in den USA, aber auch in der Eurozone, sollte die Renditen sowohl im kurz- als auch im langfristigen Bereich merklich nach unten treiben.
- Eine konjunkturelle Abkühlung würde die Kurse von Staatsanleihen steigen lassen
- Die rekordhohen Terminverkäufe von US-Staatstiteln nehmen wir als Kontraindikator, der für fallende Renditen spricht
- Nachlassende Rezessionsgefahren könnten Renditen am langen Ende der Zinskurve wieder steigen lassen
- Bonitätsverschlechterungen können bei Anlegern kurzzeitig in den Vordergrund rücken
Leitzinserhöhungen zeigen Wirkung
Die US-Notenbank hat an der letzten Sitzung auf schlechtere finanzielle Rahmenbedingungen für Haushalte und Unternehmen hingewiesen, die das Wachstum, den Arbeitsmarkt und die Inflation belasten. Anders ausgedrückt, die Leitzinserhöhungen greifen. Gemäss der Investmentbank Morgan Stanley wirken die Kapitalmärkte (vor allem die höheren Hypothekarsätze) wie zusätzliche 80 Basispunkte Leitzinserhöhung. Für Staatsanleihen sind das gute Nachrichten, weil damit das Renditehoch bereits hinter uns liegen könnte. Unternehmensanleihen könnten jedoch von dieser Entwicklung bis hin zu einer Rezession belastet werden. Gewinnmargen sind bereits rückläufig und schwächere Cash-Flows sowie steigende Finanzierungskosten belasten die Bonität. Weil die Kreditaufschläge dieses Risiko nur ungenügend entschädigen, empfehlen wir auf Top-Qualitäten zu achten oder bei tieferen Qualitäten die Duration kurz zu halten (vgl. diese Investmentidee).
- Renditen von Staatsanleihen könnten Hoch bereits hinter sich haben
- Renditeniveau wieder über der aktuellen Inflationsrate
- Kreditaufschläge kompensieren ungenügend für die anstehende Konjunkturabkühlung
- In einer Rezession steigen Kreditaufschläge stärker als die risikofreien Renditen sinken
Im Bann der Anleiherenditen
Die globalen Aktienmärkte haben sich trotz der Impulse ausgehend von den Quartalsergebnissen weiterhin vor allem von der Renditeentwicklung in den USA leiten lassen. Die Kurse befanden sich seit Mitte Oktober in einer fortgesetzten Abwärtsbewegung, bis die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen bei etwas über 5 % eine Kehrtwende einläutete. Im Fokus der Investoren steht nun die erhoffte Santa-Rally. Diese wäre, wenn überhaupt, eher technisch als fundamental bedingt, da die Aussichten für das vierte Quartal und für 2024 besonders in Europa bestenfalls mässig sind. Für eine Rally zum Ende des Jahres hin würden technische Indikatoren sowie die geringen Aktienquoten vieler Investoren sprechen. Sollte in den USA wirklich das Zinshoch erreicht worden sein, würde dies ebenfalls dafür sprechen. In der Vergangenheit führte dies häufig zu einer positiven Kursentwicklung. Am Ende wird eine mögliche Rally also auch von den Zentralbanken abhängen.
- Gewinnwachstum in den USA im dritten Quartal
- Ende der Zinserhöhungen erreicht
- Niedrige Positionierung könnte im Zuge einer Weihnachtsrally unterstützend wirken
- Der Aktienmarkt ist abhängig von der Zinsentwicklung und entsprechend anfällig
- Vorlaufindikatoren deuten weiter auf eine Rezession hin, was nicht in den Aktienkursen reflektiert ist
- Chinas wirtschaftliche Schwäche wirkt sich auf europäische Titel aus
Der Markt kommt nicht von der Stelle
Trotz kurzfristiger Erholung wegen fallender US-Staatsanleihenrenditen befindet sich der europäische Markt nach langer Seitwärtsbewegung dieses Jahr seit Juli in einem Abwärtstrend. Entgegen der Aussagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) stehen die Zeichen für Europa weiterhin auf Rezession, was durch Vorlaufindikatoren untermauert wird. Die Unternehmen erhalten weniger Aufträge. Zudem wirkt die Schwäche der chinesischen Wirtschaft als Bremsklotz. Inzwischen äussern sich Unternehmen auch weniger positiv über ihre Geschäfte in Nordamerika. Gerade zyklische Sektoren und kleinkapitalisierte Unternehmen sind Zeugen dessen. Einzig technische Faktoren könnten dem Markt zu einer Rally gegen Ende des Jahres verhelfen, da bis 2024 mit wenig News von den Unternehmen zu rechnen ist. Zudem sind Investoren in einem geringen Umfang positioniert und einige Aktienkurse handeln auf niedrigeren Niveaus als vor einem Jahr.
- Schwächerer Euro dürfte Unternehmen helfen
- Geringe Positionierung von Investoren und technische Indikatoren sprechen für eine Erholung
- Vorlaufindikatoren deuten weiter auf schwache Wirtschaftsentwicklung hin
- Negative Auftragsentwicklung der Unternehmen und schwache Ausblicke für die kommenden Quartale
- Wichtige Absatzmärkte wie China leiden unter geringer Nachfrage
Geht das Rekordjahr in die Verlängerung?
Die Buchverluste von Anleihen in den Büchern von Versicherungen sowie grössere Schadensereignisse in den letzten Jahren haben das Angebot an Versicherungskapital schrumpfen lassen. Die am Markt bezahlten Versicherungsprämien sind deshalb auf Rekordwerte gestiegen. In den Jahren 2014 bis 2021 wurde das zwei -bis dreifache der erwarteten Schäden bezahlt, heute beträgt der Faktor 6.9. Entscheidend für Anleger sind neben den Rekordprämien die effektiv eintretenden Schäden. 2023 war aufgrund erhöhter Wassertemperaturen im Atlantik eine ungewöhnlich intensive Hurrikansaison. Dennoch blieben Cat-Bonds bis vor kurzem schadenfrei. Der verheerende Hurrikan Otis, welcher Acapulco (Mexiko) schwer getroffen hat, dürfte der ersten Schaden der laufenden Saison sein. Die Fonds erzielen mit Gesamtrenditen von plus 15 % in dieser Saison Rekordwerte. Vorbehaltlich künftiger Schäden sieht es auch für das kommende Jahr blendend aus.
- Rekordwerte bei Versicherungsprämien
- Auch höhere Schäden sind bei diesen Prämien absorbierbar
- El Niño Phänomen dauert oft bis zu drei Jahre an und begünstigt die Anlageklasse
- Naturkatastrophen sind nicht prognostizierbar
- Es ist jederzeit ein Schaden möglich, der nur einmal in 100 Jahren vorkommen sollte, was zu erheblichen Verlusten führen kann
Keine deutliche Dollar-Schwäche zu erwarten
Der Dollar zeigte zuletzt leichte Schwächetendenzen. An den Märkten setzte sich die Erkenntnis durch, wonach die Fed am Ende ihres Zinsanhebungszyklus angelangt ist und der nächste Zinsschritt nach unten geht. Bislang war eine weitere Zinserhöhung an der Dezember-Sitzung des geldpolitischen Gremiums noch nicht vom Tisch. Damit hat der Einfluss der Geldpolitik auf die Entwicklung des Dollars merklich abgenommen, was sich in Kursverlusten niedergeschlagen hat. Wir rechnen allerdings nicht damit, dass der Dollar auf Sicht der kommenden Monate weiter deutlich abwertet. Die internationalen Konflikte, die wirtschaftliche Unsicherheit und der noch immer grosse Zinsvorsprung gegenüber den meisten Währungsräumen sollten den Greenback stützen. Auch der Schweizer Franken dürfte im gegenwärtigen Umfeld gut unterstützt bleiben.
- Der Schweizer Franken bleibt gut unterstützt, auch dank der Deviseninterventionen der SNB
- Das britische Pfund profitiert jüngst von den höheren Leitzinsen und und der sinkenden Zinsdifferenz zur Fed
- Von geldpolitischer Seite hat der Euro keine Unterstützung mehr
- Geopolitische Risiken deckeln Schwellenländerwährungen
Dr. Felix Brill, Dr. Thomas Gitzel, Dominik Pross, Bernhard Allgäuer, Jérôme Mäser
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