Unsere Sicht im August
Erwartungen verändern sich. Manchmal nähern sich die verschiedenen Sichtweisen an. Aktuell laufen sie aber eher auseinander. Wir bleiben im vorsichtigen Lager und bevorzugen Anleihen gegenüber Aktien.
An den Finanzmärkten werden Erwartungen gehandelt. Meist ist es auf kurze Sicht gar nicht ausschlaggebend, ob ein Unternehmen im letzten Quartal einen Gewinn oder Verlust erwirtschaftet hat. Es geht vielmehr darum, ob die Analystenerwartungen übertroffen werden oder eben nicht.
Die aktuell noch laufende Runde der Quartalsergebnisse in den USA wäre eigentlich prädestiniert gewesen, die Märkte zu beflügeln. Im Schnitt sind die Gewinne von mehr als vier Fünftel der Unternehmen im US-Aktienindex S&P 500 zwar um knapp 8 % gefallen. Aber dennoch lief es bei der Mehrheit besser als befürchtet. In den letzten fünf Jahren hatte das Übertreffen der Erwartungen im Schnitt zu einem Anstieg der Kurse um 1 % geführt. Nicht aber dieses Mal: Die Kurse gaben im Schnitt um 0.5 % nach.
Vielleicht waren die Erwartungen doch nicht so negativ, wie es in den Zahlen zum Ausdruck kam. Positive Überraschungen waren quasi schon eingepreist. Wir kennen das alle. Man wappnet sich für den schlechtesten Fall, hofft aber, dass es doch nicht so schlimm wird.
Wie es in den nächsten Monaten weitergeht, darüber herrschte zuletzt wieder weniger Einigkeit unter den Analysten. Zum Beispiel beträgt aktuell die Spannweite der Jahresendprognosen für den S&P 500 fast 50 %. So weit lagen die optimistischsten und pessimistischsten Analysten seit 20 Jahren nicht mehr auseinander. Das heisst, die Unsicherheit ist gross.
Es gibt gute Gründe für beide Lager. Wir sehen aber nach wie vor bessere Argumente, um das Portfolio defensiv auszurichten. Das bedeutet, einen höheren Anteil Cash und Anleihen als üblich zu halten, und im Gegenzug weniger Aktien. Besonders bei US-Aktien gibt es Signale, dass der Markt zu heiss gelaufen ist.
- Die US-Notenbank dürfte im Juli zum letzten Mal die Zinsen erhöht haben
- Unternehmensergebnisse fielen besser aus als von Analysten erwartet
- Die US-Wirtschaft hält sich noch immer gut
- Perspektiven für Weltwirtschaft bleiben trotz der Widerstandsfähigkeit der USA schwierig
- Markteinschätzungen divergieren wieder stärker
- Aktien- und Kreditmärkte spiegeln zu hohen Konjunkturoptimismus
China als Spiegelbild der schwachen Weltwirtschaft
Das Wachstum von Chinas Bruttoinlandprodukt (BIP) für das zweite Quartal zeigt eindrücklich, dass es um die Weltwirtschaft derzeit nicht gut steht. Der BIP-Zuwachs von 6.3 % mag zwar äusserst dynamisch erscheinen, doch im Vorjahr war die Wirtschaftsleistung gefallen, sodass die niedrige Vergleichsbasis Grund für das hohe Wachstum war. Tatsächlich scheint die Nach-Corona-Erholung der Wirtschaft bereits ins Stocken zu geraten. Die auf Export getrimmte chinesische Volkswirtschaft leidet unter der schwachen Nachfrage aus Europa und den USA. Ein angeschlagenes China ist wiederum keine gute Nachricht für die Weltwirtschaft als Ganzes. In Anbetracht des hohen Investitionsanteils am BIP wird die Regierung in China auch kein grosses Investitionsprogramm lancieren können oder wollen. Nicht zuletzt deshalb bleibt unser Ausblick auf die weitere globale wirtschaftliche Entwicklung trüb.
- Im Dienstleistungssektor normalisieren sich die Umsätze
- Rezession in den USA verschiebt sich weiter nach hinten
- Die Eurozone steckt bereits in einer Rezession — südliche Länder schlagen sich besser als nördliche
- Konjunkturelle Perspektive für Weltwirtschaft trotz Aufhellung schwierig
Getrennte Wege
Die Notenbanken der USA und der Eurozone, die Fed und die EZB, dürften ab sofort getrennte Wege gehen. Vermutlich hat die Fed im Juli ihren letzten Zinsschritt beschlossen, während bei der EZB wegen einer hartnäckig hohen Kerninflationsrate weitere Zinsschritte nötig sein werden. Die Fed hat dank der deutlich gefallenen Inflationsrate und einer nun auch nachgebenden Kerninflationsrate ihre Arbeit für diesen Zyklus vermutlich erledigt. In den USA liegt der Leitzins nun klar über der Inflationsrate, womit die Fed im restriktiven Bereich angekommen ist. Davon kann bei der EZB noch keine Rede sein. Die Teuerungsraten liegen in der Eurozone noch über den Leitzinsen. Aus unserer Sicht dürfte auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) im September noch einen weiteren Zinsschritt vornehmen. Dann sollte dank relativ niedriger Inflationsraten auch ein restriktives Leitzinsniveau erreicht sein, was für ein Ende des geldpolitischen Straffungskurses sprechen würde.
- Fed hat den Zinsgipfel erreicht
- SNB kann in den Bereich positiver Realzinsen vorstossen
- Hohe Kerninflationsrate zwingt EZB zu weiteren Zinserhöhungen
- Erhöhtes Potenzial für Finanzmarktstress wegen restriktiver Geldpolitik
US-Renditen im Bann von Fitch
Die Rückstufung der Bonität der USA vom Top-Rating AAA auf AA+ durch die Ratingagentur Fitch setzte Staatstiteln dann doch etwas zu. Die Renditen stiegen bis auf Niveaus von knapp 4.10 % im 10jährigen Laufzeitenbereich. Wir rechnen allerdings nicht damit, dass die schlechtere Bonitätsnote einen nachhaltig negativen Einfluss auf US-Staatstitel haben wird. Die Verschlechterung des Ratings wird vor allem mit einer Erosion der «Governance» begründet. Damit meinen die Analysten von Fitch die Probleme bei der Verabschiedung des Haushalts und die diversen Krisen bei der Erhöhung der Schuldengrenze. Es sind also politische und nicht ökonomische Gründe, die zu dem Downgrade geführt haben. Da Treasuries aufgrund der schieren Marktgrösse und Liquidität alternativlos sind, sollten sich keine anhaltenden Schäden ergeben. Hauptkurstreiber von US-Staatstiteln bleibt die Inflations- und Zinsentwicklung.
- Solange Rezessionsgefahren bestehen, werden die Renditen am langen Ende der Zinskurve nicht signifikant steigen
- Rekordhohe Terminverkäufe von US-Staatstiteln dienen als Kontraindikator und sprechen für fallende Renditen
- Inflationsraten über der Zielvorgabe könnten die EZB zu einem längeren Straffungskurs zwingen
- Bonitätsverschlechterungen können kurzzeitig bei Anlegern in den Vordergrund rücken
Weniger Zinsausgaben trotz steigender Zinsen
Während sich die Zinslast für das US-Schatzamt in den letzten drei Jahren fast verdoppelt hat, spüren die grossen Unternehmen den Druck von steigenden Zinsen (noch) nicht. Das ist die Folge von emittierten langfristigen Anleihen während der Tiefzinsphase. Gleichzeitig können Cash-Bestände bei inverser Zinskurve für kurze Laufzeiten zu höheren Renditen investiert werden. Bei kleineren Unternehmen mit tendenziell weniger Cash auf der Bilanz und eher variabler Verzinsung und kürzeren Laufzeiten ist die Situation genau umgekehrt. Wir gehen jedoch davon aus, dass die heutige Lage nicht mehr lange anhalten wird. Eine Rezession dürfte kurz bevorstehen und sie dürfte stärker ausfallen, als derzeit am Markt erwartet wird. Entscheidend wird dann sein, wer solide Bilanzen hat und den Sturm mit möglichst wenig Schaden übersteht. Eine solide Unternehmensanalyse gewinnt in diesem Umfeld an Bedeutung.
- Konjunkturmotor läuft runder als erwartet
- Rückläufige Inflationsraten, aber Risiko einer zweiten Teuerungswelle bleibt
- Zinserhöhungen in den USA dürften abgeschlossen sein
- Investmentgrade-Anleihen von Unternehmen rentieren etwa gleich wie die Fed Funds Rate
- Unser Szenario einer harten Landung hat weiterhin eine hohe Wahrscheinlichkeit
- Sicherheit ist gefragt, nur Top-Bonitäten bei Anleihen von Unternehmen kaufen
Berichtsaison bringt etwas Klarheit
Nach dem starken Lauf der Aktienindizes vor allem in den USA und von Technologietiteln, sind die Semesterberichte in den Fokus gerückt. Schliesslich zogen die Bewertungen seit Anfang Jahr an und um die Preisbewegung untermauern zu können, müssten die Erwartungen mindestens erfüllt werden. Über die Regionen hinweg sind die Analystenschätzungen im Schnitt übertroffen worden. Während jedoch in den USA auch das Wachstum positiv war, schrumpften die Ergebnisse in Europa im Vorjahresvergleich. Dies passt zu den schwachen europäischen Vorlaufindikatoren. Aber auch wenn die Semesterabschlüsse besser als befürchtet ausgefallen sind, stehen erst noch Zahlen mittelgrosser US-Industrieunternehmen aus, die ein klareres Bild geben dürften. Ob sie überzeugende Zahlen vorlegen, wird auch für die weitere Erholung der Marktbreite entscheidend sein.
- Marktbreite nimmt dank zyklischen Small- und Mid-Caps zu
- Zahlen zum ersten Semester fielen besser aus als von Analysten befürchtet
- Ende der Zinserhöhungen in den USA erreicht
- Vorlaufindikatoren deuten auf eine Rezession hin, was Aktienkurse nicht widerspiegeln
- Gebremste Erholung von Chinas Wirtschaft wirkt sich auf europäische Titel aus
- Das Ende des Zinszyklus könnte vorweggenommen worden sein
Schwächelnde Wirtschaft hinterlässt Spuren
Wie im Rest der Welt liegt seit Anfang Juli der Fokus auf die Berichterstattung zum ersten Halbjahr. Die Umsatzentwicklung der Unternehmen, deren Aktien im breiten Swiss Performance Index (SPI) enthalten sind, war nicht nur absolut schwach, sondern hat auch im Schnitt negativ überrascht. Teilweise war der weiter erstarkte Schweizer Franken mit ein Grund für die schwachen Wachstumsraten. Haupttreiber ist aber ein sich allgemein eintrübendes Konjunkturbild, sodass gar die eher defensive Luxusbranche mit zurückgehenden Umsätzen in den USA zu kämpfen hatte. Zudem haben einige Zulieferer auch noch sinkenden Bestellungen gemeldet. Es kam im Zuge der Berichtsaison auch zu Gewinnwarnungen und trotz teilweise guter Halbjahres-Ergebnisse nur zu wenigen Erhöhungen des Ausblicks. Was aber für den Schweizer Markt spricht, sind die noch niedrigeren Bewertungen verglichen mit den USA.
- Bessere Semesterergebnisse als erwartet
- Ein Ende der Zinserhöhungen könnten sich positiv auswirken
- Geringere Zunahme von Bewertungen als in den USA
- Aufwertung des Schweizer Frankens wirkt sich negativ auf Unternehmensergebnisse aus
- Schwache Wirtschaftsdaten aus Europa und China mit Folgen für Schweizer Unternehmen
- Kaum erhöhte Ausblicke
Postpandemisches Wirtschaftsumfeld
Nach 11 Zinsschritten von 0 bis 5.5 % müsste die US-Wirtschaft nach der ökonomischen Theorie in einer Rezession stecken, die Arbeitslosigkeit steigen, die Immobilienpreise fallen und der Aktienmarkt korrigieren. Nichts davon ist bisher geschehen. Dennoch geht der Markt davon aus, dass es nun vorbei sei mit weiteren Zinserhöhungen. Was aber, wenn sich die Masse irrt und die Inflation wie schon so oft in der Geschichte wieder nach oben dreht? Die Covid-Pandemie hat Wirtschaftsmodelle neu geschrieben, der Arbeitsmarkt wird wohl nie mehr vergleichbar sein mit der Zeit vor der Pandemie. Für die Märkte bedeutet diese Unvorhersehbarkeit Risiko. Als gute Risikoabsicherung haben sich Trendfolgesysteme (CTA) etabliert. Sie können sich an den sehr liquiden Terminmärkten für beide Richtungen positionieren. Je stärker sich ein Auf- oder Abwärtstrend etabliert, desto mehr können sie davon profitieren.
- Portfolioabsicherung ist im aktuell herausfordernden Umfeld zu empfehlen
- Trendfolgesysteme (CTA) konnten in früheren Bärenmärkten Mehrwert erzielen
- CTA sind liquider, günstiger und treffsicherer als traditionelle Hedgefonds
- Trendwechsel sind meist belastend für die Performance
- Trendfolger können monatelang an Ort und Stelle treten und dann plötzlich grosse Gewinne oder Verluste einfahren
Dollar erleidet Schwächeanfall
Nach der Veröffentlichung der Juni-Inflationsdaten in den USA war es soweit: Der Dollar ging auf Talfahrt. Der Euro notierte gegenüber dem Greenback kurzzeitig bei Niveaus von über 1.12. Die Inflationsrate fiel im Juni auf 3 % und die Kerninflationsrate ging unterwartet deutlich auf 4.7 % zurück. Damit liegt der Leitzins über der Inflationsrate, womit die Geldpolitik restriktiv ist. Zwar hoben die US-Währungshüter im Juli den Leitzins nochmals um 25 Basispunkte an, doch dies dürfte vermutlich der letzte Zinsschritt in diesem Zyklus gewesen sein. Damit gehören an den Devisenmärkten Fed-Zinsfantasien der Vergangenheit an, was in einen Schwächeanfall des Greenbacks mündete. Umgekehrt dürfte die EZB noch weitere Zinsschritte beschliessen. Wir rechnen deshalb damit, dass der Höhenflug des Währungspaars EUR/USD noch nicht beendet ist und bis in den Bereich von 1.15 führen kann (mehr zu Währungen hier).
- Das britische Pfund profitiert von höheren Leitzinsen und der geringeren Zinsdifferenz gegenüber dem USD
- Der EUR hat weiterhin Überraschungspotenzial
- Geopolitische Risiken verhindern Aufwertung von Währungen von Schwellenländern
- Türkische Lira nach wie vor im Bann der Politik
Dr. Felix Brill, Dr. Thomas Gitzel, Dominik Pross, Bernhard Allgäuer, Jérôme Mäser
VP Bank AG
CIO Office
Aeulestrasse 6, 9490 Vaduz, Liechtenstein
T +423 235 63 99; cio-office@vpbank.com
Diese Dokumentation wurde von der VP Bank AG (nachfolgend Bank) erstellt und durch die Gesellschaften der VP Bank Gruppe vertrieben. Diese Dokumentation stellt kein Angebot und keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten dar. Die darin enthaltenen Empfehlungen, Schätzungen und Aussagen geben die persönliche Auffassung des betreffenden Analysten der VP Bank AG im Zeitpunkt des auf der Dokumentation genannten Datums wieder und können jederzeit ohne vorherige Ankündigung geändert werden. Die Dokumentation basiert auf Informationen, welche als zuverlässig eingestuft werden. Diese Dokumentation und die darin abgegebenen Einschätzungen oder Bewertungen werden mit äusserster Sorgfalt erstellt, doch kann ihre Richtigkeit, Vollständigkeit und Genauigkeit nicht zugesichert oder gewährleistet werden. Insbesondere umfassen die Informationen in dieser Dokumentation möglicherweise nicht alle wesentlichen Angaben zu den darin behandelten Finanzinstrumenten oder deren Emittenten. Angaben zur bisherigen Wertentwicklung erlauben keine verlässliche Prognose für die Zukunft.
Weitere wichtige Informationen zu den Risiken, welche mit den Finanzinstrumenten in dieser Dokumentation verbunden sind, zu den Eigengeschäften der VP Bank Gruppe bzw. zur Behandlung von Interessenkonflikten in Bezug auf diese Finanzinstrumente sowie zum Vertrieb dieser Dokumentation durch VP Bank Gruppengesellschaften finden Sie unter https://www.vpbank.com/de/rechtliche_hinweise
Liechtenstein: VP Bank AG, 9490 Vaduz · info@vpbank.com
Schweiz: VP Bank (Schweiz) AG, 8001 Zürich · info.ch@vpbank.com
Luxemburg: VP Bank (Luxembourg), 2540 Luxemburg · info.lu@vpbank.com
Singapur: VP Bank Ltd Singapore Branch, 018960 Singapur · info.sg@vpbank.com
British Virgin Islands: VP Bank (BVI) Ltd, Tortola VG1110 · info.bvi@vpbank.com